gegen die anhaltende Gewalt
Goma (epd)Marie Dolorose Masika Kafanya hat so dunkle Ringe unter den Augen, dass man sie am liebsten nach Hause schicken möchte. Aber die 60-jährige Kongolesin gibt nicht auf, wegen Müdigkeit schon gar nicht. "Es stimmt schon, dass ich oft nicht schlafen kann", räumt die gelernte Krankenschwester ein. "Die Geschichten der Frauen verfolgen mich noch in der Nacht." Seit rund 15 Jahren hört sich Masika Kafanya tagtäglich an, zu welchen Grausamkeiten der Mensch in der Lage ist.
Sexuelle Gewalt als Waffe
Menschenrechtler schätzen, dass im Osten des Kongo jedes Jahr 25.000 Frauen vergewaltigt werden. In dem mehr als 20 Jahre andauernden Konflikt um Macht und Rohstoffe setzen Milizen und Armee sexuelle Gewalt als Waffe ein. Auch die 22.000 Mann starke UN-Mission ändert daran nichts. "Wir wollten der Not der Überlebenden nicht länger tatenlos zusehen", erläutert Masika Kafanya den Grund, weshalb sie im Jahr 2000 mit weiteren Mitstreiterinnen in der Stadt Butembo die Hilfsorganisation FEPSI gründete.
Bei FEPSI, das seit 2007 von der Deutschen Welthungerhilfe unterstützt wird, erhalten die Überlebenden medizinische Betreuung und juristische Beratung. Außerdem bekommen sie Hilfe bei einem wirtschaftlichen Neustart. Die Mitarbeiterinnen gehen dabei ein hohes Risiko ein, denn Menschenrechtsverteidiger sind den Kriegsparteien ein Dorn im Auge.
Auch die 13 Rechtsanwältinnen, die sich in Butembo zum Verein der "Femmes Juristes" zusammengeschlossen haben, begeben sich täglich in Gefahr. "Wir kämpfen dafür, dass die Täter endlich juristisch belangt werden", sagt deren Vorsitzende, Kathunga Furaha Cathy. Die Juristinnen klären Vergewaltigungsopfer über ihre Rechte auf, begleiten sie auf deren Wunsch hin auch vor Gericht. Dabei scheuen sie weder die Konfrontation mit den Staatsanwälten, die ihrer Überzeugung nach immer noch viel zu wenig tun, noch mit den Tätern.
Politische Auseinandersetzung wird härter
Gleichzeitig stellen die Aktivistinnen aber auch lautstark Forderungen an die Regierung. Denn die Region wird seit Herbst 2014 von einer regelrechten Terrorwelle überzogen. Nach offiziellen Angaben wurden bislang mehr als 300 Menschen mit Macheten und anderen Waffen brutal ermordet. Doch Mughanyiri Kambale vom Menschenrechtsbüro der UN-Mission Monusco hält die Zahl für stark untertrieben. "Es sind Tausende! Niemand spricht darüber, keinen interessiert es."
"Die Regierung muss diese Morde aufklären", verlangt Masika Kafanya. "Hier werden seit Monaten Menschen zu Hunderten massakriert, und es gibt keine Untersuchungskommission - wie ist das möglich?", empört sich die Aktivistin. Die Regierung von Präsident Joseph Kabila macht die islamistische Gruppe ADF-Nalu aus dem Nachbarland Uganda für die Verbrechen verantwortlich. Doch die Belege dafür sind dünn. Die brutalen Attacken wirken wie eine gezielte Kampagne, um in der Bevölkerung Panik zu schüren.
Insgesamt wird die politische Auseinandersetzung im Kongo derzeit härter. Im Januar gingen Hunderte Menschen in der Provinzhauptstadt Goma und in der Hauptstadt Kinshasa auf die Straße. Sie protestieren gegen die Absicht von Präsident Kabila, seine Amtszeit durch eine Änderung des Wahlgesetzes um viele Jahre zu verlängern. Während der tagelangen Demonstrationen wurden nach Angaben der Opposition mehr als 40 Menschen ermordet, über 350 verhaftet.
"Der Kriege müde"
Kabilas Amtszeit endet im Dezember 2016. Vorher stehen noch Gemeinde- und Provinzwahlen an. "Die politische Gewalt wird deshalb in den kommenden Monaten vermutlich zunehmen", meint Moise Kambere Kayitavubya, Präsident des Dachverbandes von Menschenrechtsgruppen GADHOP in Butembo. Wie viele Beobachter schließt er nicht aus, dass sogar die jüngste Terrorwelle mit den Wahlen zusammenhängt. Auch GADHOP fordert deshalb endlich einen Untersuchungsbericht der Regierung. "Gleichzeitig versuchen wir, selbst vor Ort zu ermitteln."
Ein gefährliches und schwieriges Unterfangen. Aber die Menschenrechtsaktivisten sind nicht länger bereit, sich einschüchtern zu lassen und aufzugeben. "Wir sind der Kriege unglaublich müde", sagt Kambere Kayitavubya. Und sie wollen alles dafür tun, dass die Gewalt endlich aufhört.