Würzburg (epd)Angesichts der Temperatur kommt das Thema eigentlich gar nicht auf. Auf rund 13 Grad bringt es das Thermometer am Donnerstagmorgen. Folglich tragen die Schüler des Würzburger Deutschhausgymnasiums Pullis, Jacken und lange Hosen. Wie die Bekleidung im Hochsommer aussehen soll, das legt seit Anfang Mai ein Dresscode fest. An der Schule und im Umfeld sorgt diese Kleiderordnung derzeit für heftige Diskussionen. Die einen fühlen ihre persönliche Freiheit eingeschränkt, die anderen finden es selbstverständlich, auch bei hohen Temperaturen "vernünftig gekleidet" zu sein.
Was legt der Dresscode fest?
Präzise legt der Dresscode fest, dass etwa unter der Jeans keine Slips oder Tangas hervorblitzen sollen. Die Hose muss so sitzen, "dass man deine Unterhose nicht sieht", heißt es. Transparente Oberteile sind ein No-Go, es sei denn, darunter ist noch ein T-Shirt. Generell sollen Oberteile etwas länger sein: "Auch wenn dein Bauchnabel ein echter Hingucker ist, solltest du ihn nicht der Schulöffentlichkeit präsentieren", rät der Kleidungsknigge. Wer dagegen verstößt, muss ein von der Schule gestelltes T-Shirt anziehen.
Das Ganze hat auf Initiative der Eltern die Schülermitverwaltung zusammen mit den Lehrern erarbeitet. Das Schulforum als Vertretungsorgan von Schülern, Eltern und Lehrern verabschiedete die Regeln. Der Elternbeiratsvorsitzende Martin Nußpickel erinnert sich, dass der Anstoß bei einer Versammlung der Elternklassensprecher gekommen sei. Grund sei die teilweise "sehr knappe, provokante Kleidung" einiger Schülerinnen und Schüler gewesen, dazu T-Shirts mit beleidigenden und diskriminierenden Inhalten. "Es war der Wunsch der Eltern", stellt er klar. Nach Angaben von Schulleiter Norbert Baur setzen sich dann 70 der 1.100 Schüler Ende des vergangenen Schuljahres zu einem Gesprächskreis zusammen: "Dabei haben sie mit überwältigender Mehrheit gesagt, dass sie diesen Dresscode wollen."
Stehen die Schüler hinter dem Regelwerk?
Ganz so eindeutig sehen das nicht alle. Im sozialen Netzwerk Facebook hat sich eine Initiative gegründet, die das Regelwerk kippen will. "Seit dem 1. Mai gilt an unserer Schule der Dresscode. Lasst uns der Schulleitung zeigen, dass wir nicht alles mit uns machen lassen und wir einen Eingriff in unsere Grundrechte nicht einfach so hinnehmen", heißt es in dem Aufruf. Am 11. Mai sollten die Schülerinnen und Schüler gezielt gegen die Vorgaben verstoßen. Was aber offenbar niemand tat.
Zwischenzeitlich gab es ein klärendes Gespräch zwischen Gegnern der Kleiderordnung, Schulleitung, Elternbeirat und Schülermitverwaltung. "Drei von den vieren sind gar nicht mehr an der Schule", sagt Nußpickel über die Aktivisten gegen den Dresscode. Und er ärgert sich über die öffentliche Diskussion, in der sich unter anderem auch schon die Jungen Liberalen und die Grüne Jugend zu Wort gemeldet haben: "Da weiß keiner, wie was gelaufen ist, und sie regen sich trotzdem auf."
Herabwürdigende Sanktionen
Die Würzburgerin Franziska Mack, Mitglied im Landesvorstand der Grünen Jugend, kritisiert vor allem, dass bei Verstößen ein von der Schule gestelltes Oberteil angezogen werden muss: "Diese Art der Sanktion ist absolut herabwürdigend." Schulleiter Norbert Baur beteuert, dass ein falscher Eindruck entstanden sei. Er nennt die Vorgabe mit dem T-Shirt "vielleicht etwas unglücklich" und kann den Widerstand dagegen nachvollziehen.
Bisher habe es jedenfalls noch keinen Grund für eine Sanktion gegeben, und überhaupt interessiere das Thema die Mehrzahl der Schüler nicht. "Unter dem Strich ist es ein Sturm im Wasserglas", sagt Baur.
In Würzburg hat nicht nur das Deutschhaus-, sondern auch das Sieboldgymnasium eine Art Kleiderknigge, wenn auch nicht so detailliert. "Wir bitten unsere Schüler, sich in den Sommermonaten nicht wie im Schwimmbad anzuziehen", sagt die stellvertretende Direktorin Irmgard Nickel-Göb. Dieser Appell sei vor einigen Jahren auf Initiative der damaligen Fünftklässler ergangen. Sie erinnert sich an den Fall eines Schülers, dessen Hose zu weit herunterhing. Dem habe sie dann ein Poloshirt geliehen. Für allzu aufreizende oder anstößige Kleidung ist sie gerüstet: "Im Bedarfsfall habe ich immer ein paar T-Shirts hier."