Die Schuld wiegt schwerer
BGH kassiert Frankfurter Urteil zu Völkermord in Ruanda als zu milde
Der Bundesgerichtshof entschied bei seiner Prüfung des ersten Ruanda-Urteils in Deutschland: Wer ein Massaker an einer Volksgruppe mitorganisiert, überwacht und vorantreibt, ist als Täter mit Völkermord-Absicht zu verurteilen, nicht nur als Gehilfe.

Karlsruhe (epd)Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Donnerstag das Frankfurter Völkermord-Urteil gegen einen Ex-Bürgermeister aus Ruanda gekippt. Der zu 14 Jahren Haft verurteilte Onesphore Rwabukombe (58) muss nun mit lebenslänglich rechnen. Die Karlsruher Richter gaben damit der Revision der Generalbundesanwaltschaft und mehrerer Nebenkläger statt.

Täterschaft mit Völkermord-Absicht

Die Mitwirkung des Angeklagten an einem Massaker auf einem Kirchengelände mit mehr als 400 Toten im Jahr 1994 ist laut BGH als Täterschaft mit Völkermord-Absicht zu werten (AZ 3 StR 575/14). Die Vorinstanz hatte Rwabukombe im Februar 2014 wegen Beihilfe zum Völkermord verurteilt (AZ: 5-3 StE 4/10-4-3/10). Es war der erste Prozess in Deutschland zum Völkermord an der Tutsi-Minderheit 1994 in Ruanda. Das Verfahren geht nun zurück an das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt.

Der Bundesgerichtshof nahm allerdings nur eine Teilrevision vor. Die Feststellungen des OLG zum Tatgeschehen beim Kirchenmassaker an Tutsi-Flüchtlingen am 11. April 1994 in Kiziguro wurden nicht beanstandet. Sie bleiben bestehen. Der Vorsitzende Richter Jörg-Peter Becker betonte auch, dass bei Völkermord-Verbrechen das Weltrechtsprinzip gilt. Solche Gräueltaten können grundsätzlich in Deutschland verfolgt werden, auch wenn die Taten in einem fernen Kontinent geschahen, und die Täter und die Opfer von dort sind.

Als zweiten Rechtsfehler wertete der 3. Strafsenat des BGH indes, dass die Vorinstanz keine Völkermord-Absicht beim Angeklagten erkannte. Die Beweisführung dazu sei lückenhaft, sagte Richter Becker. Eine Völkermord-Absicht liege laut Rechtsprechung bereits vor, wenn die Zerstörung einer Volksgruppe wie der Tutsi-Minderheit in Ruanda - oder eines Teils davon - als notwendiges Mittel verfolgt wird, um andere Ziele zu erreichen. Der Angeklagte habe seine Stellung im staatlichen System erhalten wollen.

Revision des Angeklagten verworfen

Zur Frage der Täterschaft erklärte Richter Becker, der Angeklagte sei bereits am Vortag des Massakers in die Organisation eingebunden gewesen. Auf dem Kirchengelände von Kiziguro wurden nach den Feststellungen der Vorinstanz mindestens 400 Menschen, vor allem Tutsi, überwiegend mit Macheten, Lanzen, Knüppeln, Äxten, Beilen und Hacken zumeist auf qualvolle Weise getötet. Die Täter waren Hutu, Soldaten, Milizionäre und Bürger. Rwabukombe war am Tatort, forderte Kraft seiner Autorität als Bürgermeister Mitbürger zum Töten auf, spornte sie an, brachte weitere Täter zur Kirche und sorgte für das Wegschaffen der Leichen in eine Grube. Dass er selbst getötet habe, wurde ihm nicht vorgeworfen.

Die Revision des Angeklagten, die sich überwiegend auf angebliche Verfahrensfehler stützte, verwarf der BGH und lobte die Beweisaufnahme der Vorinstanz. Auch Zeugen aus Kreisen der Täter hätten die Mitwirkung des Angeklagten belegt, die dieser selbst bestritt. Das Frankfurter Gericht hatte sich laut BGH in drei Jahren mit großem Aufwand mit den Besonderheiten eines fremden Kulturkreises befasst.

Die Anklage stützte sich auf die Aussagen von mehr als 100 Zeugen. Das Gericht studierte Landkarten, entsandte Ermittler nach Ruanda und hörte Historiker. Aufzeichnungen zu dem Geschehen von Kiziguro gibt es nicht. Rwabukombe saß seit Juli 2010 in Untersuchungshaft. Er war 2002 nach Deutschland gekommen und hatte Asyl erhalten.

In Ruanda wurden 1994 bis zu 800.000 Tutsi von Hutu-Extremisten und Mitläufern ermordet. Unter den Opfern waren auch gemäßigte Hutu. Rwabukombe wurde nicht nach Ruanda ausgeliefert, weil es Zweifel gab, dass er dort ein faires Verfahren bekommen hätte.