Berlin (epd)Für Patienten kann es sich durchaus lohnen, dem Verdacht auf einen Behandlungsfehler nachzugehen. Nach der Jahresstatistik des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde, bestätigen die Gutachter der Kassen den Verdacht in jedem vierten Fall. In etwa 20 Prozent der Fälle stellten die Gutachter fest, dass der Behandlungsfehler eindeutig einen Schaden beim Patienten verursacht hat.
Insgesamt hatte der Medizinische Dienst im vergangenen Jahr 14.663 Vorwürfe zu begutachten. In 3.796 Fällen wurden ärztliche oder pflegerische Fehler nachgewiesen. Die hohe Zahl von Fehlervorwürfen zeige, dass es keinen Grund zur Entwarnung gebe, sagte der stellvertretende MDS-Geschäftsführer Stefan Gronemeyer.
Die meisten Fehler passieren beim Zahnarzt sowie bei Hüft- und Kniegelenksoperationen und bei der Behandlung von Knochenbrüchen. Insgesamt verteilen sich die Fehler aber über das ganze Spektrum der Krankheiten und medizinischen Behandlungen. Zwei Drittel passieren in den Krankenhäusern, ein Drittel bei ambulanten Operationen und in Arztpraxen.
Drei von 100 Menschen, die falsch behandelt worden sind, sterben. Knapp zwei Drittel erleiden einen vorübergehenden Schaden, gut ein Viertel eine dauerhafte Beeinträchtigung mit mittleren oder schweren gesundheitlichen Einschränkungen. Bei 41 Prozent der Patienten seien Beschwerden entstanden, weil sie keine Behandlung bekommen hätten. In 35 Prozent der Fälle habe der Arzt eine falschen Behandlung verordnet. Für die Vermeidung von Fehlern forderte Gronemeyer eine zentrale Registrierungsstelle für alle Behandlungsfehler in Deutschland.
Besonders oft wurde der Verdacht auf einen Behandlungsfehler in der Pflege bestätigt. Von rund 600 Fehlervorwürfen wurden rund 60 Prozent bestätigt. Auch Patienten, die nach einer Behandlung durch den Zahnarzt einen Fehler vermuteten, lagen oft richtig. Rund 40 Prozent der 1.400 Vorwürfen wurden bestätigt. Dies deute allerdings nicht daraufhin, dass es in den Bereichen besonders viele Defizite gebe, da die MDK-Zahlen nur die Verdachtsfälle und nicht die Gesamtheit aller Behandlungen repräsentierten, sagte die leitende Sozialmedizinerin des MDK Bayern, Astrid Zobel.
Die Dunkelziffer ist indes hoch, vermuten die Gutachter vom Medizinischen Dienst. Auch die Linkspartei kritisierte eine hohe Zahl unregistrierter Fehler. Die Fraktionssprecherin für Patientenrechte, Kathrin Vogler, forderte eine Beweislastumkehr. Bisher liegt es in der Zuständigkeit des Patienten, dem Arzt einen Fehler nachzuweisen.
Immer mehr Patienten gingen mittlerweile dem Verdacht auf einen ärztlichen Fehler nach. Das könnte mit dem vor zwei Jahren geänderten Patientenrechtegesetz zu tun haben, erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Jens Spahn (CDU). Es fördere einen offenen Umgang mit Behandlungsfehlern. "Wo Menschen tätig sind, passieren Fehler. Diese dürfen aber nicht unter den Teppich gekehrt werden", sagte Spahn.
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