Würzburg, München (epd)Wenn Erzieherinnen und Erzieher ihre Arbeit niederlegen, denken die meisten an Streiks in Kindergärten und Krippen. Dabei sind von dem Arbeitskampf auch Einrichtungen der Behindertenhilfe betroffen. Seit Mittwoch werden auch das Würzburger Blindeninstitut und die dazugehörige Werkstatt für Sehgeschädigte bestreikt. Thomas Heckner, Institutsleiter für die Erwachsenen, ist davon zwar nicht begeistert, hat aber viel Verständnis für seine Mitarbeiter: "Arbeit an Menschen gehört ordentlich bezahlt - und das wird sie im Moment nur sehr bedingt." Der Gesellschaft müsse die Arbeit an Menschen wieder mehr wert sein. "Wenn wir Computer oder Autos reparieren lassen, sind Stundenlöhne im hohen zweistelligen Bereich akzeptiert - bei Erziehern aber nicht", sagt er.
Notdienst auf die Beine gestellt
Diese mangelnde Wertschätzung treibe die Mitarbeiter geradezu in den Streik, sagt eine Gewerkschaftsvertreterin unter den Beschäftigten des Blindeninstituts. Auf dem Rücken der Bewohner und Beschäftigten soll der Streik aber nicht ausgetragen werden: "Wir haben einen Notdienst auf die Beine gestellt." Die Menschen mit Behinderung sind weiterhin betreut und versorgt, "aber die pädagogische Arbeit an und mit den Menschen an Streiktagen entfällt", so Institutsleiter Heckner. "Mehr als satt und sauber ist an den Streik-Tagen durch den Notdienst nicht drin", sagt die Gewerkschafterin.
Tobias Will ist 32 Jahre alt und arbeitet als Heilerziehungspfleger in den Lebenshilfe Werkstätten in Würzburg. Er streike auch für ein höheres Gehalt, sagt er: "Von unseren niedrigen Löhnen kann man als Alleinverdiener nur schwer eine Familie ernähren - also überlegt man sich das mit der Familiengründung sehr genau." Zum anderen kämpft er aber auch für bessere Rahmenbedingungen und eine größere Wertschätzung seiner Arbeit: "Die Schlüssel, also wie viel Pflege und Hilfe einem Menschen mit Behinderung zustehen, sind zu gering." Ein Thema, dass die Politik "in Angriff nehmen muss", sagt Will.
Steigende Anforderungen bei gleichbleibender Bezahlung
Seit Tagen werden neben Kitas auch Einrichtungen der Behindertenhilfe in ganz Bayern bestreikt - etwa in Nürnberg, Kempten, Regensburg und Würzburg. Bereits seit Montag ruht die Arbeit der Erzieher an den Mainfränkischen Werkstätten und in den Lebenshilfe Wohnstätten. Die Gewerkschaft ver.di verteidigt den Ausstand auch in diesen Einrichtungen, deren Arbeitsverhältnisse selten im Licht der Öffentlichkeit stehen: "Anders als die Kinder- und Jugendarbeit wird die Behindertenhilfe häufig als Engagement für eine kleine gesellschaftliche Randgruppe betrachtet", sagt ver.di-Sekretär Bernhard Bytom.
Ein Kollege von Will aus der Werkstatt für Sehgeschädigte berichtet von "seit Jahren steigenden Anforderungen" bei gleichbleibender Bezahlung und sinkenden Mitarbeiterzahlen: "Ich arbeite gerne im sozialen Bereich, aber ich will nicht zum Sozialfall werden." Auch wenn die politischen Rahmenbedingungen sich durch einen Streik nicht direkt ändern lassen, die Mitarbeiter sehen auch die Arbeitgeber in der Pflicht: "Selbst wenn die Kostensätze und Schlüssel niedrig sind: Dass es oft nur noch Teilzeit- und befristete Verträge gibt und unbezahlte Überstunden üblich sind, das muss halt auch nicht sein", sagt er.