In ihrer neuen Arbeitshilfe stellt die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) die gezielte Bekehrung von Muslimen zum christlichen Glauben in Frage. In Bezug auf den so genannten Missionsbefehl in Matthäus 28 schreibt die EKiR, Jesu Aussage habe "weniger den Charakter des Befehls, die Welt zu missionieren und alle zu Christen zu machen, vielmehr geht es um die explizite Erlaubnis, die gute Botschaft auch unter den Völkern bekannt machen zu dürfen". Christen und Muslime sollten zwar in einen Dialog treten, doch eine "strategische Islammission oder eine Begegnung mit Muslimen in Konversionsabsicht" widerspreche dem Auftrag Jesu Christi und sei daher "entschieden abzulehnen", so die rheinische Kirche.
Ein theologischer Aufschlag. Was sagen die evangelischen Geschwister in der EKD zum Vorstoß aus dem Rheinland?
Für den aus Wuppertal stammenden Pfarrer und Direktor der Berliner Stadtmission Joachim Lenz hat das rheinische Diskussionspapier zumindest viel Gutes. Sein diakonisches Unternehmen betreibt mehrere Notunterkünfte, in denen vor allem Asylsuchende aus islamischen Ländern betreut werden. Diese nun zu Jesus Christus bekehren zu wollen ist ihm fern.
"Wir versuchen Menschen so anzusehen, wie Gott sie ansieht. Nämlich als geliebte Geschöpfe Gottes. Also kümmern wir uns gut um sie. Und wir sagen nicht, da kommen ganz viele Missionierungsobjekte zu uns. Wir empfangen sie, indem wir ihnen ein warmes Bett geben, was zu essen und indem wir versuchen, ihnen erste deutsche Worte beizubringen. Und wir hoffen durchaus, dass sie uns fragen, warum wir das machen", erklärt der Theologe. Ob sich ein muslimischer Flüchtling nun für die biblische Botschaft interessiere, davon dürfe die christliche Hilfe nicht abhängen. Es gebe eben solche Hilfssituationen, in denen die Mission an Muslimen eine No-go-Area sei.
Aber der größte Teil der über vier Millionen Muslime in Deutschland lebt schon lange hier. Da dürfte es kein Problem sein, diesen die Botschaft des Evangeliums näher zu bringen. Oder doch? Die evangelische Kirche im Rheinland hat ihr Diskussionspapier an ihre Gemeinden versandt, um über "Weggemeinschaft und Zeugnis im Dialog mit Muslimen" zu beraten.
Hartmut Steeb: "Als Christen berufen wir uns auf Jesus Christus"
"Unser Thema ist, dass wir uns auf die Menschen einlassen, dass wir als Christinnen und Christen Zeugnis geben. Wir haben das im Rheinland mal ausgedrückt: Vom offenen Himmel erzählen", erklärt der rheinische Präses Manfred Rekowski. Er sieht sich als Teil einer "missionarischen Volkskirche". Und das bedeutet für ihn, ins freundliche Gespräch mit dem Gegenüber einzutreten und dessen Glauben zu achten. "Muslime bringen die religiöse Dimension sehr stark in den Alltag unserer Gesellschaft. Sie leben ihren Glauben viel unverschämter, also viel weniger verschämt, als viele Christinnen und Christen das tun. Das Zusammenleben mit Muslimen bringt die religiöse Dimension ganz stark auf die Tagesordnung und das finde ich gut und richtig", sagt Rekowski.
Dagegen findet Hartmut Steeb, Generalsekretär der evangelikal-konservativen Evangelischen Allianz, der Missionsbefehl am Ende des Matthäus-Evangeliums gelte auch im 21. Jahrhundert. Darin sagt der Jude Jesus, dass seine Anhänger zu allen Menschen gehen sollen, die noch nicht im Bunde Gottes mit Israel stehen, also zu allen Gojim, zu allen Völkern. Diese sollen sie zu Jüngern machen, lehren und taufen. In dem rheinischen Papier wird betont, es gebe Beziehungen Gottes mit den Menschen jenseits jeglicher Mission. So habe er bereits mit Noah einen Bund des Lebens für jegliche Kreatur geschlossen. Später dann folgte der Bund mit Abraham, Stammvater nicht nur für Juden und Christen, sondern auch für Muslime. Dabei aber stehen zu bleiben, reiche nicht aus, warnt Hartmut Steeb: "Natürlich berufen sich diese drei monotheistischen Religionen auf Abraham, aber als Christen berufen wir uns in erster Linie auf Jesus Christus. Und deshalb halten wir es für falsch, wenn man diese monotheistische Gemeinsamkeit hier überzieht, als könne man davon ableiten, es gäbe keinen Missionsauftrag."
Im rheinischen Papier wird zudem auf den jahrhundertelangen Missbrauch der Mission hingewiesen, ob nun in den christlichen Kreuzzügen, der spanischen Reconquista oder eben in der gewaltsamen Verquickung westlicher Kolonisation mit christlicher Mission in Afrika, Lateinamerika oder Asien. Aber auch daraus leitet der Vertreter der Evangelischen Allianz nicht ab, Mission aufzugeben, sondern sie besser zu machen. Daher seien auch große Evangelisationsfeste wie ProChrist weiterhin richtig: "Ein schlechter Gebrauch hebt ja den guten Gebrauch nicht auf. Dass es viele Fehler gab in der Vergangenheit, ist überhaupt keine Frage. Wir können dieses Papier nicht gutheißen, weil es ja zum Ausdruck bringt, dass ich nicht überzeugt bin, dass meine Glaubenshaltung so gut ist, dass sie auch für andere gut wäre."
Der rheinische Präses Manfred Rekowski will hingegen lieber einen "Dialog des Lebens", bei dem man sich gemeinsam hilft, gemeinsam lernt und gemeinsam feiert. Aber bei der immer wieder beschworenen Begegnung auf Augenhöhe müsse auch Kritik möglich sein. So habe er etwa auch gegenüber Muslimen in einer Krefelder Moschee auf die Gefahr des islamischen Antisemitismus hingewiesen. Im Vordergrund stehe aber das Zusammenleben mit Muslimen im Alltag, in Kitas, Schulen, im Religionsunterricht oder in der Jugendarbeit. Und da dürfe es keine missionarischen Hintergedanken geben.
Diese Einstellung vertritt auch Pfarrer Joachim Lenz von der Berliner Stadtmission. Werben für die christliche Botschaft könne er Andersgläubige, wenn überhaupt, nur durch sein Engagement: "Wir hatten schon mal zwei Araber, die sich bei uns am Abendessenstisch unterhielten und der eine sagte zu dem anderen, ich verstehe gar nicht, warum die uns so behandeln, wir haben doch gelernt, dass Christen Hunde seien."