epd-bild/Winfried Rothermel
"Die Schwarzwaldklinik": Die Schauspieler Alexander Wussow (links), Eva Habermann und Klausjürgen Wussow.
«Dallas» im Glottertal
Vor 30 Jahren schrieb die
«Schwarzwaldklinik» Fernsehgeschichte
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So lässig wie Sascha Hehn sprang nie wieder ein Fernseharzt aus einem Cabrio. Die «Schwarzwaldklinik» bediente Klischees und wurde dennoch - oder vielleicht deshalb - zu einem Quotenhit für das ZDF.
22.10.2015
epd
Nina Gödeker (epd)

Frankfurt a.M. (epd)Der weise Chefarzt, sein Hallodri von Sohn und eine schwatzhafte Oberschwester: Das Personal der "Schwarzwaldklinik" schlug vor 30 Jahren die Fernsehzuschauer in ihren Bann. Zwar zeigte sich die Kritik wenig begeistert von der Serie, die am 22. Oktober 1985 zum ersten Mal im ZDF zu sehen war. Doch das kümmerte die Fans wenig. Bis zu 28 Millionen Menschen schalteten ein, wenn es im Glottertal um Leben und Tod, um Liebe und Leid ging. Der Erfolg legte den Grundstein für unzählige weitere Arztserien, im öffentlich-rechtlichen wie im privaten Fernsehen.

Parallelen zum Arztroman

Von einer "Kitschromanze" sprachen die Fernsehkritiker damals, von einem Heimatfilm in Serie. Sicher nicht zu Unrecht, sind doch durchaus Parallelen zum Arztroman zu erkennen. Der Chefarzt Doktor Brinkmann, gespielt von Klausjürgen Wussow, hat stets Zeit für die Nöte seiner Patienten und ist ein begnadeter Chirurg. Er gerät immer wieder mit seinem Sohn Udo (Sascha Hehn) aneinander, der ebenfalls als Arzt in der Klinik arbeitet. Der Senior heiratet schließlich die Krankenschwester Christa (Gaby Dohm), die auch von Udo umworben wurde.

Die Produktion von Wolfgang Rademann schrieb Fernsehgeschichte und wurde zu einer der erfolgreichsten Serien des ZDF. Drei Jahrzehnte später ist vielleicht etwas in Vergessenheit geraten, welche Pionierarbeit die "Schwarzwaldklinik" damals leistete. "In Deutschland gab es de facto bis zur 'Schwarzwaldklinik' gar eine eigenproduzierte Soap, sondern nur Familienserien, Krimiserien und ein paar Heimatfilme", erklärt der Medienwissenschaftler Sven Grampp von der Universität Erlangen-Nürnberg. "Alles hatte aber eben nicht die typische Soap-Struktur."

Die sei erst mit amerikanischen Importen wie "Dallas" und "Denver Clan" nach Deutschland gekommen, sagt Grampp. "'Dallas' ist der Vorläufer der 'Schwarzwaldklinik', auch wenn sich das ein wenig seltsam anhört." In Texas wie im Glottertal geht es um Gefühle und Beziehungen, immer wieder kreuzen sich die Handlungsstränge.

Vorbild aus Tschechien

Inhaltlich war eine andere erfolgreiche Serie Vorbild: "Das Krankenhaus am Rande der Stadt" aus Tschechien, das ab Ende der 70er Jahre nicht nur in der DDR, sondern auch in Westdeutschland gute Quoten erreichte. Der Inhalt ähnelte dem der "Schwarzwaldklinik", auch dort gab es einen "Halbgott in Weiß" und einen temperamentvollen Sohn. Diese Klischees fanden sich dann auch in der deutschen Serie wieder.

"Die Stereotype sind extrem, aber vielfältig", sagt Medienwissenschaftler Grampp. "Jeder Zuschauer kann sich eine Identifikationsfigur heraussuchen, sei es Doktor Brinkmann oder sein aufmüpfiger Sohn." Dabei ging es aber nicht immer rosig zu, den Zuschauern wurden durchaus harte Probleme zugemutet. Die Serie nahm neben romantischen Verwicklungen auch unheilbare Krankheiten, Todesfälle, Vergewaltigung oder Rache auf.

Keine Tabu-Themen

"Da wurden auch Themen aufgegriffen, die für die damalige Zeit schwierig waren, aber man hat sich dennoch daran gewagt", sagt Andrea Klingenschmitt. Sie ist Redakteurin beim ZDF und war mitverantwortlich für das "Revival" der Serie zum 20. Jubiläum. Tabu-Themen habe es nicht gegeben. Für sie liegt der Erfolg der "Schwarzwaldklinik" auch nicht in den medizinischen Einzelheiten der Serie begründet. "Es war das Familiäre, der Wunsch der Zuschauer, sich im Krankheitsfall in einer solchen Klinik aufgehoben zu fühlen", sagt sie. "'Die Schwarzwaldklinik' spiegelte einen realistischen Teil unserer Welt wider. Es wurden Geschichten erzählt, mit denen sich die Zuschauer identifizieren konnten, in denen sie sich vielleicht auch wiederentdecken konnten."

Und so stand natürlich auch in den zwei Fortsetzungsfilmen, die 2005 gezeigt wurden, wieder die Familie im Mittelpunkt. Der Sohn von Doktor Brinkmann, Benjamin, ist nun Arzt in der Schwarzwaldklinik und plant seine Hochzeit. Das große Fest bringt alle Familienmitglieder im malerischen Bauernhaus im Glottertal wieder zusammen. Und auch die Zuschauer waren wieder dabei: 15 Millionen schalteten beim ersten Film ein, gut sieben Millionen beim zweiten.

Entwicklung der Charaktere

Medienwissenschaftler Grampp macht in der Urserie auch einen Trend von heute aus. "Es wird immer betont, dass moderne Serien episodisches Erzählen und das Erzählen in Fortsetzungen vermischen", erklärt er. "Die 'Schwarzwaldklinik' machte das damals schon so." Die Patienten und ihre Probleme, die im Verlauf einer Folge gelöst werden, bilden das episodische Erzählen, das Element der Fortsetzung liefern die Figuren, die sich entwickeln. "So konnten Zuschauer mitgenommen werden, die sich die Serie nur einmal ansahen. Regelmäßige Zuschauer verfolgten die Entwicklung der Charaktere."

Und diese Charaktere waren es, die den Fans in den Jahren der Erstausstrahlung zwischen 1985 und 1989 und während der vielen Wiederholungen besonders ans Herz wuchsen. Sie strömten auf den Spuren ihrer Lieblinge in den Schwarzwald - für das Gefühl von ein bisschen "Dallas" im Glottertal.