epd-bild / Matthias Rietschel
Bis zu 11.000 Menschen täglich wollen die wiederaufgebaute und 2005 eingeweihte Dresdner Frauenkirche von innen sehen.
Zwei Millionen Besucher im Jahr
Die Dresdner Frauenkirche wird zehn
Jahre alt
Die Dresdner Frauenkirche ist Zeichen für Frieden und Versöhnung. Ende Oktober feiert sie zehn Jahre Weihe nach dem Wiederaufbau. Eine bei Touristen beliebte Kirche ohne feste Gemeinde birgt besondere Herausforderungen.
19.10.2015
epd
Von Katharina Rögner (epd)

Dresden (epd)"In der Anfangszeit haben uns Tausende Besucher an den Rand des Möglichen geführt", sagt der Leitende Architekt der Dresdner Frauenkirche, Thomas Gottschlich. Bis zu 11.000 Menschen täglich wollten die wiederaufgebaute und 2005 eingeweihte Dresdner Frauenkirche von innen sehen. 2009 besuchte US-Präsident Barack Obama während seines Kurz-Besuches in Dresden den barocken Kuppelbau.

Lange Schlangen

Anfangs sei die Kirche von 5 Uhr, wenn die Reinigung begann, bis um 23 Uhr, wenn der letzte Künstler ging, genutzt worden - alles bei einem "relativ kleinem Kirchenraum". Das war schon eine "ziemlich große Herausforderung", erinnert sich Gottschlich. Vor der Kirche auf dem Neumarkt bildeten sich lange Schlangen.

Zehn Jahre später haben das 91,23 Meter hohe Bauwerk mit der markanten Kuppel 19,8 Millionen Menschen besucht, jährlich kommen noch immer zwei Millionen Besucher. Anstehen muss aber niemand mehr. Dafür gibt es im Wahrzeichen von Dresden neue Herausforderungen, etwa wenn das Fernsehen live überträgt, wie regelmäßig zu Neujahr und zu anderen Anlässen.

Großes Privileg

Fast von Anfang an dabei ist Frauenkirchen-Pfarrer Holger Treutmann. Er weiß um die Besonderheit der Kirche: Sie sei "ein ganz besonderer Ort mit hervorragenden Chancen auch der Verkündigung". Es gebe wohl "kaum eine Kirche, in der ein Pfarrer so häufig den Taler anzieht wie in der Frauenkirche - praktisch jeden Tag", sagt er. Dazu sei es "ein großes Privileg und eine Aufgabe, auch mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die sonst nicht selbstverständlich in eine Kirche gehen".

Er dürfe an einem Ort predigen, "der Geschichte in sich trägt, wie das kaum eine andere Kirche haben kann", sagt er. Nach wie vor sei er bewegt, wenn er dort stehe, besonders am Altar mit den deutlichen Spuren der Kriegszerstörung, "der als ein gebrochener Altar in der neuen, schönen, barocken Frauenkirche sichtbar ist". Dann mal die Hand auf den Altar zu legen sei für ihn "auch die Verbindung mit der eigenen wechselvollen deutschen Geschichte".

Monumentale Sandstein-Kuppel

Die erste Frauenkirche war in Dresden schon im 11. Jahrhundert gebaut worden. Nach Umbauten wurde die alte Kirche abgerissen und die barocke Frauenkirche von 1726 bis 1743 nach Plänen des Dresdner Ratszimmermeisters George Bähr neu errichtet. Mehr als 200 Jahre lang prägte sie mit ihrer monumentalen Sandstein-Kuppel die Stadt. Nach Bombenangriffen im Februar 1945 durch US-amerikanische und britische Flugzeuge stürzte das Wahrzeichen ein.

Bis in die 1980er Jahre stand die Ruine in der Dresdner Innenstadt, Untersuchungen zu einem möglichen Wiederaufbau zwischen 1945 und 1949 verliefen im Sande. Zum Jahrestag der Zerstörung 1982 riefen Christen zum stillen Gedenken an den Trümmern auf. In den folgenden Jahren beteiligen sich immer mehr Menschen, so dass die Ruine bis 1989 zu einem Symbol der DDR-Bürgerrechts- und Friedensbewegung wird.

Keine eigene Gemeinde

Am 12. Februar 1990 sendete eine Bürgerinitiative zum Wiederaufbau den "Ruf aus Dresden" an die Öffentlichkeit. Nach kontroverser Debatte stimmte die Synode der sächsischen Landeskirche im März 1991 schließlich mit 46 Ja-Stimmen gegen 26 Nein-Stimmen für den Wiederaufbau. Dieser war im September 2005 abgeschlossen, am 30. Oktober 2005 wurde die Kirche eingeweiht. Die gesamten Baukosten gibt die Stiftung Frauenkirche heute mit 182 Millionen Euro an, rund 100 Millionen seien gespendet worden.

Obwohl die Frauenkirche keine eigene feste Gemeinde hat und wegen der touristischen Nutzung speziell geprägt ist, kommen viele Menschen immer wieder. "Etwa ein Drittel der Gottesdienstbesucher", sagt Pfarrer Treutmann. Im Schnitt kommen zwischen 500 und 1.200 Gottesdienst-Besucher.

Dramatische Veränderungsprozesse

Die aktuelle Situation hinterlässt auch an der Frauenkirche ihre Spuren. Nicht nur einmal war der Dresdner Neumarkt vor der Kirche Aufmarsch-Ort für die asylfeindliche "Pegida"-Bewegung. "Das schmerzt sehr", sagt Treutmann. Auch weil dann eine Diskussionskultur auf dem Platz nicht vorhanden sei.

"Dramatische Veränderungsprozesse in unserer Gesellschaft" seien im Gang, sagt er. Ein waches Ohr sei nötig für das, was gerade geschieht. "Wir wollen versuchen, Themen zu spiegeln, die möglicherweise hinter dem Protest stecken". Es werde "wichtig sein, von der Frauenkirche aus biblische und ethische Orientierung zu geben".