Die Idee ist denkbar schlicht, funktioniert aber immer wieder: Man schicke zwei möglichst unterschiedliche Charaktere auf eine gemeinsame Reise und warte ab, was passiert. So funktionierten schon "Ein Ticket für zwei" (1987) mit Steve Martin und John Candy sowie der fast noch turbulentere TV-Zweiteiler "Zwei Weihnachtsmänner" (Sat.1, 2008) mit Bastian Pastewka und Christoph Maria Herbst. Unabdingbare Voraussetzung für diese Geschichten ist die Tatsache, dass die Reisenden aufeinander angewiesen sind.
Auch in "600 PS für zwei" gibt es kein Entkommen: Lorenz Hoffmann (Herbert Knaup), wenig sympathischer Personalchef eines großen Konzerns, will es sich nicht nehmen lassen, das großzügige Geschenk für die neue Werbefigur des Unternehmens, einen Fußballstar, höchstpersönlich von der Konzernzentrale an den Tegernsee zu überführen; kein Wunder, handelt es sich doch um einen rassigen Sportwagen italienischer Bauart. Unterwegs kommt ihm aufgrund allzu hoher Geschwindigkeit allerdings sein Führerschein abhanden, weshalb er zähneknirschend den Anhalter, den er kurz auf einem Parkplatz einfach stehen gelassen hat, wieder einsteigen lassen muss. Der Mann heißt Hartmut Sprenger (Walter Sittler) und ist ausgerechnet der ehemalige Marketingchef einer Firma, die Hoffmanns Unternehmen vor fünf Jahren geschluckt hat.
Da er Sprenger für zu alt hielt, hat er ihn entlassen, war allerdings zu feige, ihm die Nachricht persönlich zu überbringen; seither ist Hoffmann Sprengers Feindbild Nummer eins. Weil ihm der Anhalter gleich seine Lebensgeschichte erzählt, nennt Hoffmann ihm einen falschen Namen, und das ist bloß der Beginn einer Verkettung von Lügen, in der sich die beiden Männer schließlich hoffnungslos verheddern: Der geschiedene Sprenger hat seiner Familie nie von der Entlassung erzählt. Tochter (Lilli Meinhardt) soll ihn auch weiterhin für einen tollen Hecht halten, weshalb er den auf seine Fahrdienste angewiesenen Hoffmann dazu nötigt, nicht nur die Rollen, sondern auch die Kleider zu tauschen, als sie Olivia im Internat abholen und zu ihrer Mutter (Sabine Vitua) bringen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Daniel Scotti-Rosins Drehbuch basiert auf dem französischen Fernsehfilm "Une Ferrari pour deux" (2002). Aus dem Ferrari ist ein Maserati geworden, doch ansonsten hat der Autor den Handlungskern beibehalten. Entscheidend für die Qualität der Komödie ist ohnehin die Art und Weise, wie die beiden Hauptdarsteller ihre konträren Charaktere zum Leben erwecken. Dank Sittler und Knaup wäre "600 PS für zwei" vermutlich auch dann noch sehenswert, wenn Scotti-Rosin ihnen nicht derart viele wunderbare Dialogduelle und clever eingefädelte Anlässe für Situationskomik geliefert hätte, die die in vielen Comedy-Serien geschulte Sophie Allet-Coche ("Doctor’s Diary", "Der letzte Bulle") mit genau dem richtigen Tempo inszeniert. Beide Schauspieler bekommen eine Menge Gelegenheiten, um zu zeigen, was sie für großartige Komödianten sind. Trotzdem übertreiben sie es nie, im Gegenteil; die komischen Momente resultieren oftmals nicht zuletzt aus dem Bemühen der beiden Männer, die Contenance zu wahren, was gerade Hoffmann immer dann gar nicht gut gelingt, wenn es um das Auto geht. Außerdem fällt er natürlich regelmäßig aus der ihm zugedachten Rolle des armen arbeitssuchenden Schluckers. Auch die Dramaturgie funktioniert prächtig: Scotti-Rosin ergänzt das Duo genau im richtigen Moment um Sprengers Tochter; die junge Lilli Meinhardt hält sich erstaunlich respektabel im Zusammenspiel mit den beiden alten Hasen.
Natürlich lebt der Film nicht zuletzt von der Läuterung des Personalchefs, der auch dank Sprengers Ex-Frau lernt, die wahren Werte im Leben zu schätzen. Der einzige, der in dieser Komödie auf der Strecke bleibt, ist erwartungsgemäß der Maserati.