18.10., ARD, 17.30 Uhr: "Gott und die Welt: Raus hier!"
Quasi über Nacht ist ein bislang leerstehendes Haus in Berlin-Schönberg voller Menschen: Lange Zeit hatten die meisten der 52 Wohneinheiten leergestanden; nun leben hier 200 Roma. Der ruhige und bei einkommensstarken Familien beliebte Stadtteil wird zum Brennpunkt. Täglich greift die Polizei ein, in großen Containern wird Unrat und Sperrmüll entsorgt. Anwohner schildern ein Klima der Angst, das "Horrorhaus" macht Schlagzeilen. Doch im Lauf der Wochen entsteht echte Nachbarschaft, getrieben von gegenseitigem Respekt. Eine Anwohnerinitiative entsteht, die nahe Kirchengemeinde hat sich eingeklinkt. Die Reportage von Mosjkan Ehrari verbindet die Geschichten zweier Protagonistinnen. Anna ist 32 und aktiv in der Anwohnerinitiative G87. Sie will nicht länger weggucken, geht auf die neuen Nachbarn zu, versucht Konflikte auszuhalten und Regeln des Miteinanders auszuhandeln. Olga ist 44. Sie ist eine Romni, der vom Hausbesitzer zunächst Hoffnung gemacht wurde, dass sie mit ihrer Familie bleiben darf - mit einem "echten" Mietvertrag. Die Autorin hat selbst einige Jahre in diesem Berliner Stadtteil gelebt und nimmt die Zuschauer mit in eine fremde, für viele zunächst befremdende Welt; das Haus steht exemplarisch für das ganze Land.
18.10., ZDF, 20.15 Uhr: "Ein Fisch namens Liebe"
Es gehört zum festen Muster romantischer Multikulti-Komödien, dass die Eltern Vorbehalte gegen die große Liebe ihres Sohnes oder ihrer Tochter haben. In früheren Jahren waren es meist die Deutschen, die lernen mussten, ihre Vorurteile zu überwinden, während die orientalischen Familien schon allein durch ihren Zusammenhalt sympathisch wirkten. Mittlerweile hat sich ein gewisser Emanzipationsprozess vollzogen. Fatma (Nursel Köse) zum Beispiel, die Mutter des potenziellen Bräutigams in "Ein Fisch namens Liebe", muss sich von Vicky (Christiane Paul), der deutschen Braut ihres Sohnes Mehmet (Luk Piyes), gegen Ende sagen lassen, sie sei "gemein, hinterhältig und intrigant"; und das ist kein bisschen übertrieben. Zum Ausgleich dürfen die Türken türkisch sprechen, was nicht nur grundsätzlich zu begrüßen, sondern in diesem Fall auch die Voraussetzung für viele komische Momente ist: Gerade Fatmas Dialoge stehen oft in krassem Kontrast zu der guten Miene, die sie zu dem aus ihrer Sicht bösen Spiel macht, denn Vicky ist deutlich älter als Mehmet. Deshalb lässt die Mutter bei einer gemeinsamen Reise nach Anatolien keine Gelegenheit ungenutzt, um die Beziehung zu sabotieren. Eine herzerwärmende Komödie mit guten Schauspielern, interessanter Landschaft und Tiefgang.
18.10., 3sat, 22.30 Uhr: "Der Iran Job"
Selbst den größten Basketball-Fans wird der Name Kevin Sheppard nicht viel sagen; dabei ist der Amerikaner in seiner Liga ein Superstar, dem nicht nur die Anhänger des eigenen Clubs zu Füßen liegen. Dass ihn trotzdem kaum jemand kennt, hat einen einfachen Grund: Er verdient sein Geld im Iran. Wer weiß im Westen schon, dass die Iraner begeisterte Basketball-Fans sind? Und dass sie ausgerechnet Spieler aus dem Land des Erzfeindes zu Volkshelden küren, scheint unvorstellbar. Till Schauder ("Santa Smokes"), ein in den USA lebender Deutschamerikaner, der zudem mit einer Iranerin verheiratet ist, hat dem Sportler nun ein filmisches Denkmal gesetzt. Natürlich kommt der Basketball bei diesem ohne offizielle Genehmigung gedrehten Porträt nicht zur kurz, doch im Zentrum steht die Frage, wie sich Sheppard mit den Bedingungen im Iran arrangiert hat. Im Verlauf der Dreharbeiten hat sich der Fokus des Films allerdings immer mehr verschoben. Der Amerikaner freundet sich mit drei attraktiven Iranerinnen an, die seine Wohnung fortan als Refugium nutzen, um das totalitäre Regime und die Frauenfeindlichkeit des Islam zu kritisieren; und das in einer Offenheit, für die sie außerhalb der liberalen Oase drakonisch bestraft würden. Auf diese Weise wird "Der Iran Job" mehr und mehr zu einer Hommage an die Menschen im Iran, deren Ungehorsam schließlich zur "Grünen Revolution" führt.
19.10., ARD, 23.00 Uhr: "Die Story im Ersten: Konzerne klagen - Wir zahlen"
Schiedsgerichte urteilen nicht im Namen des Volkes, im Gegenteil: Sie tagen hinter verschlossenen Türen. Sie verurteilen Staaten zu Strafen in Milliardenhöhe. Konzerne verklagen mit ihrer Hilfe Regierungen, wenn sie ihre Geschäfte bedroht sehen. Zahlen müssen die Bürger. Schiedsgerichte gelten deshalb vielen Kritikern als große Bedrohung in den geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA, den Verträgen der EU mit den USA und Kanada. Dabei sind diese Gerichte bereits heute weltweit in Tausenden Verträgen verbindlich verankert; kein anderes Land hat in so vielen Verträgen private Schiedsgerichte zugelassen wie Deutschland. Autor Michael Wech geht in dieser Dokumentation konkreten Fällen nach und stellt fest: Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt ist rund um die Schiedsgerichtsverfahren eine boomende, private Justizindustrie entstanden. Schiedsgerichte sind längst zu einem Geschäftsmodell geworden, bei dem die Konzerne die Gewinner sind; und souveräne Staaten und ihre Bürger die Verlierer.
19.10., ZDF, 20.15 Uhr: "Die Neue"
Dieser Film ist ein großartiges Lehrstück, ohne dabei je belehrend zu sein: An einer säkularen Schule taucht eines Tages eine von Kopf bis Fuß verhüllte Schülerin auf. Sie besteht darauf, ein Kopftuch tragen zu dürfen und will nicht am Sportunterricht teilnehmen. Die Klassenlehrerin (Iris Berben) setzt sich für das Mädchen ein, ohne zu ahnen, welche Eigendynamik die Ereignisse entwickeln; schließlich kommt es zum Eklat. Schlicht "Die Neue" heißt dieses fesselnde und ausnahmslos ausgezeichnet gespielte Drama von Buket Alakus, die vor zehn Jahren mit "Eine andere Liga" bekannt geworden ist und zuletzt die Multikulti-Komödie "Einmal Hans mit scharfer Soße" gedreht hat. Basis für die besondere Stärke der dramaturgischen Konstruktion war die Entscheidung, sich nicht ausschließlich auf den Kopftuchstreit zu konzentrieren. Deshalb ist auch nicht die Schülerin, sondern die Lehrerin die Hauptfigur. Ohnehin imponiert das Drama durch den seriösen und respektvollen Umgang mit dem Thema. Die Entwicklung der Handlung ist jederzeit plausibel und wirkt fast wie eine Fallstudie. Auch der Schulalltag wirkt sehr authentisch, inklusive der unvermeidlichen diskriminierenden Bemerkungen.
19.10., WDR Fernsehen, 22.00 Uhr: "die story: Steuerfrei e. V. - Millionengeschäfte mit der Gemeinnützigkeit"
Elitäre Vereine wie der Berliner Golfclub am Wannsee, knallharte Industrie-Lobbygruppen wie die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik und Kommerzverbände wie der Deutsche Fußball-Bund: Anhand dieser drei brisanten Beispiele schauen die Autoren Sascha Adamek und Martin Hahn hinter die Kulissen angeblicher Gemeinnützigkeit. Besonders beim DFB stießen die Autoren auf eine Mauer des Schweigens über die Frage, wohin die im internationalen Fußball-Zirkus verdienten Millionen genau fließen. Gleichzeitig klagen Vereine, die oft Hunderten Kindern und Jugendlichen das Fußballspielen im Ort ermöglichen, über Finanznöte. Manchen droht die Pleite.
Ein ehemaliger DFB-Spitzenfunktionär und hochrangiger Insider spricht offen über vermeintliche Gemeinnützigkeit und darüber, wie hoch das Steuerprivileg des Deutschen Fußball-Bundes eigentlich ist. Dass eine offiziell gemeinnützige Lobbygruppe wie die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik ihre internationalen Treffen als Bildungsveranstaltungen tarnt, hält sie nicht davon ab, hinter verschlossenen Türen über weltweite Rüstungsgeschäfte zu tagen. "die story" zeigt zugleich Wege auf, die Missstände zu ändern.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
20.10., 3sat, 23.10 Uhr: "Esmas Geheimnis"
Im Original heißt dieser Spielfilm, für den die Bosnierin Jasmila Zbanic bei der Berlinale mit einem "Goldenen Bären" ausgezeichnet wurde, den schlichten Titel "Grbavica". Man muss sich schon intensiv mit der Geschichte des jugoslawischen Bürgerkriegs beschäftigt haben, um zu wissen, warum "Grbavica" für Bosnier ein Wort des Schreckens ist. Grbavica ist ein Stadtteil von Sarajewo, der während des Krieges von der serbisch-montenegrinischen Armee in ein Kriegslager umgewandelt wurde. Die bosnische Zivilbevölkerung muss hier namenloses Grauen erlebt haben. Massenvergewaltigungen waren ausdrücklich Teil der serbischen Kriegsstrategie, um den Gegner zu erniedrigen. Die 1974 geborene Regisseurin lebte damals ganz in der Nähe. Kein Wunder, dass sie noch heute in Grbavica "etwas Unausgesprochenes, Unaussprechliches, Unsichtbares" spürt. Diesen Horror filmisch umzusetzen ist eigentlich unmöglich, und Zbanic versucht es auch gar nicht erst. Statt dessen zeigt sie den Alltag einer Frau, die täglich aufs Neue versucht, den Schatten der Vergangenheit zu entkommen. Dass ihr das nie gelingen wird, weil ausgerechnet die eigene Tochter das Grauen immer wieder heraufbeschwört, macht "Esmas Geheimnis" zu einem unendlich traurigen Film.
20.10., Arte, 20.15 Uhr: Themenabend "Sterben für die Mode"
Die Katastrophe in Rana Plaza, bei der über tausend Menschen starben, brachte Bangladesch in die Schlagzeilen. Die Öffentlichkeit reagierte mit Entsetzen und Empörung. Auf Druck des Internationalen Gewerkschaftsverbands unterzeichneten 200 große Firmen ein Abkommen zur Gebäudesicherheit und zum Feuerschutz in Bangladesch. Damit verpflichten sie sich, ihre Zulieferfabriken auf Sicherheitsstandards überprüfen zu lassen. Für ihren Film über die Schattenseite der Mode haben Reporter die Produktionsstandorte kritisch unter die Lupe genommen. Das Ergebnis ist erschreckend: In allen Fabriken gibt es nach wie vor erhebliche Sicherheitsmängel, die Bedingungen in der Textilbranche sind nach wie vor katastrophal. Nicht nur die Gebäude sind marode, auch die Löhne sind miserabel und die Herstellungsmethoden oft lebensgefährlich. Auch der zweite Beitrag zum Themenabend, "Giftiges Leder" (21.10 Uhr), befasst sich mit den unmenschlichen Arbeitsbedingungen in Bangladesch. Um 22.00 Uhr zeigt das dritte Programm des WDR mit "Hungerlohn für hippe Mode" einen weiteren Film zum Thema: Drei junge Modeblogger haben sich angesichts der immer neuen Meldungen über unzumutbare Zustände für Textilarbeiterinnen in Kambodscha dazu entschlossen, sich selbst ein Bild zu machen.
Für mehrere Wochen werden sie in einer kambodschanischen Textilfabrik zu denselben Bedingungen arbeiten wie die Einheimischen. Eine schockierende Erfahrung, die ihr Leben verändern wird.
22.10., 3sat, 20.15 Uhr: "Tod auf Rezept"
Psychische Erkrankungen gehören zu den häufigsten Krankheitsbildern; rund fünf Millionen Menschen leiden derzeit in Deutschland an einer Depression. Psychopharmaka gehören zu den am meisten verordneten Medikamenten. Patienten mit psychischen Problemen suchen häufig Rat bei ihrem Hausarzt und bekommen dort zum ersten Mal Antidepressiva verschrieben, obwohl sie fatale Nebenwirkungen haben können: Sie stehen im Verdacht, in manchen Fällen Suizidgedanken und Aggressionen auszulösen. Die Dokumentation beschreibt diese Nebenwirkungen und fragt nach der Verantwortung der Pharmaindustrie. Unter anderem äußert sich der ehemalige Manager eines Pharmakonzerns dazu, wie Medikamentenhersteller versuchen, die Warnhinweise auf den Beipackzetteln ihrer Produkte zu unterdrücken. Im Anschluss (21 Uhr) diskutiert Gert Scobel mit seinen Gästen über den gravierenden Mangel an Therapieplätzen in Deutschland und das Problem, die richtige Therapie zu finden und zu finanzieren. Die Runde geht unter anderem der Frage nach, welche Weichen jetzt gestellt werden müssten, um möglichst vielen psychisch kranken Menschen effektiv und schnell zu helfen.
22.10., WDR, 23.45 Uhr: "Cäsar muss sterben"
Es hat schon was von grimmiger Ironie, italienische Gefängnisinsassen ein Shakespeare-Drama aufführen zu lassen. Wenn altgediente Mafia-Schergen den Mord an Cäsar nachstellen, gehen Bühnenfiktion und Wirklichkeit eine unheimliche Allianz ein. Die beiden einst durch "Padre Padrone" bekannt gewordenen Brüder Paolo und Vittorio Taviani überraschten vor drei Jahren bei der Berlinale mit einem Werk, dass gerade durch seine konsequente Reduziertheit von enormer Intensität ist. Abgesehen von der bejubelten Premiere des Stücks, die den bunten Rahmen bildet, ist der Film in Schwarzweiß gehalten. Im Stil des italienischen Neorealismus beschreibt er sie, wie Häftlinge in einem römischen Gefängnis Shakespeares "Julius Cäsar" proben. Die Auswahl des Stücks war ihre Idee, aber das Ensemble gab es schon vorher. Natürlich lebt der Film zunächst vom ungewöhnlichen Schauplatz; die Darsteller üben ihre Texte in den Zellen, beim Hofgang und in Gemeinschaftsräumen. Aber das Ambiente tritt mit zunehmender Dauer in den Hintergrund, weil man mehr und mehr vom kraftvollen Charisma der Schauspieler fasziniert ist.
23.10., Arte, 23.40 Uhr: "Pfarrer werden"
Was bedeutet Glaube? Wessen Glaube ist heute noch so stark, dass er (oder sie) bereit ist, in eine zunehmend säkularisierte Gesellschaft hinauszugehen und eine Botschaft weiterzugeben, die immer weniger Menschen hören wollen? Warum entscheidet sich ein junger Mensch für ein langwieriges, anspruchsvolles Studium, um schließlich für eine kleine Gemeinde in der Provinz rund um die Uhr erreichbar zu sein? Was sind das für Männer und Frauen, die in einem Talar auf der Kanzel stehen werden, von denen Trost und Zuversicht erwartet wird und deren persönlicher Lebenswandel Vorbildfunktion haben soll? Die Macher der Dokumentation "Pfarrer werden" sind selbst nicht gläubig. Gerade deshalb waren sie von den angehenden Pfarrern und Pfarrerinnen fasziniert. Sie haben eine kleine Gruppe während der letzten und entscheidenden Phase ihrer Ausbildung begleitet: durch das Vikariat. Bisher haben sie auf der Universität theoretisches Wissen gesammelt. Jetzt werden sie das erste Mal in real existierenden Kirchengemeinden mit der Arbeitswelt eines Pfarrers konfrontiert, müssen ihren Glauben mit Worten und Gesten zu vermitteln lernen.
In regelmäßigen Abständen kommen sie im Predigerseminar in Wittenberg zusammen, um ihr Wissen zu vertiefen und diese Erfahrungen zu verarbeiten. Die Filmemacher sind dabei: Wenn der Segen geübt, eine Predigt erarbeitet wird, aber auch bei gemeinsamen Festen und privaten Momenten. Ein intensiver Einblick in eine von Traditionen geprägte Welt. Die filmische Begleitung über mehr als ein Jahr beschreibt den Enthusiasmus und die Begeisterung der zukünftigen Pfarrer und Pfarrerinnen, aber auch die Irritationen und Krisen, die sie zu meistern haben.