Geistiges Eigentum werde selten als sozialpflichtiger Begriff verstanden, sagte katholisch.de-Redakteur Felix Neumann auf dem "Netzpolitischen Kongress" der Evangelischen Jugend (aej) in Berlin am Samstag. "Geistiges Eigentum bedeutet meistens: das ist meins", sagte er. Davon sollte man abkommen, da der Produzent eines Werks "auch nur ein Zwerg auf den Schultern von Giganten" sei.
Sobald etwas in die Öffentlichkeit entlassen sei, sei es Gegenstand des öffentlichen Diskurses und sollte zitiert und umgewandelt werden können. Felix Neumann empfahl für einen neuen Umgang mit dem Urheberrecht die Vorschläge von rechtaufremix.org.
Zweites Thema des Tages war die Privatssphäre, die im digitalen Zeitalter immer auch politisch sei, sobald jemand in sozialen Netzwerken aktiv sei. Mario Lenhart von Amnesty International sagte: "Im Datenschutz ist noch viel zu tun. Wir nehmen ein Menschenrecht wahr, wenn wir uns dort einmischen." Man sollte als Nutzer darüber informiert sein, was mit den eigenen Daten passiere und welche Handlungsmöglichkeiten man habe.
"Die Privatssphäre ist tot"
Dennoch helfe Medienkompetenz nicht dabei, sich gegen Überwachung zu schützen, sagte Mario Lenhardt. Wie die NSA-Affäre, ausgelöst von Whistleblower Edward Snowden, gezeigt habe, können Staaten gemeinsam mit Unternehmen vollständige Bewegungs- und Interessenprofile über jeden Einzelnen Internet-Nutzer anlegen.
Die Massenüberwachung opfere unser Menschenrecht auf Privatssphäre. Alleine schon das Abgreifen von Daten von Menschen, die nichts getan haben, sei für Amnesty International eine Menschenrechtsverletzung. "Die Privatssphäre ist tot", sagte er. Das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, das der Bundestag am 16. Oktober 2015 verabschiedet habe, sei nur Ausdruck dieser verlorenen Privatssphäre.
Amnesty International fordere deshalb, dass Offline-Rechte auch online gelten sollten. Informationen über Menschen in Form von Daten seien genauso Eigentum einer Person und sollten ihrer Selbstbstimmung unterliegen.
Bildungsaktivist Torsten Larbig sprach über Medienkompetenz als Bildungsauftrag. "Die Geschichte zeigt: Jedes neue Medium erforderte eine neue Regulierung." Jedes neue Medium rufe die Kritiker auf den Plan. Die Lehrer Deutschlands stünden im europäischen Vergleich an letzter Stelle, was den Gebrauch neuer Medien angehe. "Man sollte den Schülern zeigen, dass man mit neuen Medien nicht nur spielen kann", sagte Larbig. "Smartphones und Tablets sind fantastische Geräte zur lernenden Welterschließung, die neben alle anderen Formen der Welterschließung treten", das würde der Großteil der Lehrer bisher nicht berücksichtigen.
Eine wichtige Aufgabe für Lehrer sei, Schülern beizubringen, Informationen im Netz einzuschätzen und zu bewerten, sagte Larbig, der Lehrer für Deutsch und katholische Religion ist. Beispielsweise gäbe es im christlichen Bereich viele fundamentalistische Gruppen, die im Internet gut aufgestellt seien. Er beobachte, dass es seinen Schülern schwerfalle, zu unterscheiden, welche Seiten glaubwürdig seien und allgemeine Erkenntnisse darstellten oder lediglich Meinungen abbildeten.
Heutige Schüler seien "im und nicht mit" dem Internet aufgewachsen. Man dürfe nicht ignorieren, dass sich "zentrale Lebensvollzüge" im Netz abspielten. Die Digitalisierung breche das Monopol der institutionalisierten Bildung und dürfe daher von den traditionellen Institutionen nicht ignoriert werden. Er verglich die Digitalisierung mit einer Flut: "Ich empfehle Wasserkraftwerke anstatt Deiche zu bauen", sagte Larbig. "Wir müssen die Energie der Digitalisierung nutzen."
Kreative Partizipation am politischen Prozess
Ole Jantschek von der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung versuchte, einen Impuls an die Evangelische Jugend zu geben, welches die Kriterien für ein erfolgreiches Einbringen in die politische Kommunikation sein könnten. Politisches Handeln könne auch komplett im Netz stattfinden oder von digitalen Medien unterstützt werden. Als Beispiel für eine zivilgesellschaftliche Gruppe, die sich besonders kreativ für ihre politischen Botschaften das Netz zunutze mache, nannte er das Zentrum für Politische Schönheit.
Wichtig sei, die Medienkompetenz der Rezipienten realistisch einzuschätzen: Je einfacher etwas funktioniere, desto besser. Außerdem sei es eine wichige Aufgabe, so Jantschek, das kreative Potenzial innerhalb eines Verbandes oder einer Gruppe, die sich politisch einbringen wolle, in eine klare Botschaft zu übersetzen.
Das Erbe der Reformation
evangelisch.de-Portalleiter Hanno Terbuyken fragte danach, was man von der Reformation für den digitalen Wandel lernen könne. Seinen Vortrag finden Sie hier.
Einige Anmerkungen der Teilnehmer finden Sie bei Twitter unter #sindwirdrin.