epd-Bild/Paul Van Schie
Ulrich Dähne Geschäftsführer der Stabila Messgeräte Gustav Ullrich GmbH, zeigt einen Ur-Zollstock (1886) ohne Federgelenksperre vom Erfinder Anton Ullrich.
Das Maß aller Dinge
Der Zollstock ist eine Erfindung aus der Pfalz
Man nennt es Klappmeter, Meterstab oder Zollstock: Mit dem meist zwei Meter langen, einklappbaren Handwerker-Utensil ist so ziemlich jeder deutsche Haushalt ausgestattet. Erfunden hat es Anton Ullrich 1886 im pfälzischen Maikammer.
12.10.2015
epd
Charlotte Lisador (epd)

Speyer (epd)Von einer kleinen Werkstatt in Maikammer im Landkreis Südliche Weinstraße zur Weltausstellung nach Paris: Anton und Franz Ullrich hatten einen langen Weg vor sich, bis sie mit der Erfindung des Zollstocks einen Welterfolg landeten. Aus dem väterlichen Landhandel machten die Brüder zunächst eine kleine Werkstatt zur Gelenkmaßproduktion. Wenig später gründeten sie die erste "Meterfabrik" Deutschlands.

30 Jahre Tüftelei

"Anton war eher der Tüftler, sein Bruder der Geschäftsmann", erzählt Judith Ziegler-Schwaab. Die Journalistin hat sich über viele Jahre mit der Geschichte der Brüder und deren Erfindung - die nicht in der Maikammerer Ortschronik auftauchte - auseinandergesetzt.

30 Jahre lang hat Anton an einem einrastenden Federgelenk gearbeitet, das die Klappmeter künftig so zusammenhalten sollte, dass sie auch in voller Länge starr gehalten werden können. 1886 ist es dann soweit: Die Brüder Ullrich lassen sich die "Neuerung an Gelenkmaßstäben mit Federsperrung" patentieren.

Drei Jahre später findet die Maikammerer Erfindung reißenden Absatz auf der Weltausstellung in Paris - jene berühmte Ausstellung, für die auch der Eiffelturm gebaut wurde. Der wirtschaftliche Erfolg für das einklappbare Metermaß lässt nicht lange auf sich warten, wie Ziegler-Schwaab beschreibt: Die Zahl der Aufträge schießen in die Höhe, das kleine Unternehmen muss expandieren.

Täglich rund 30.000 Rohlinge

Noch im gleichen Jahr, 1889, gründet Gustav Ullrich, ein Sohn Franz Ullrichs, im südpfälzischen Annweiler am Trifels eine "Meterfabrik". Aus ihr ging das Unternehmen Stabila hervor, das noch heute Klappmeter produziert.

Die Patentschrift von 1886 und ein Ur-Zollstock - ein Exemplar ohne Federgelenksperre - liegen noch heute im Safe des Unternehmens, sagt Ulrich Dähne, Geschäftsführer der Stabila Messgeräte Gustav Ullrich GmbH. Bis heute ist das Unternehmen in Familienbesitz. Die Nachfahren des Gründers halten seit 126 Jahren dessen Anteile und sind im Beirat der Firma Stabila vertreten, der alle drei Monate zusammenkommt.

Bei Stabila arbeiten weltweit 500 Mitarbeiter, 300 davon am Firmensitz in Annweiler. Zu ihren Produkten gehören neben dem Klappmeter auch andere Messwerkzeuge wie die Wasserwaage. Auch die moderne Laser-Messtechnologie ist ein wichtiger Zweig des Unternehmens.

Die Meterstäbe werden seit 1993 aus Platz- und Kostengründen in einer Zweigstelle in Tschechien hergestellt. Dort entstehen heute pro Jahr mehr als zehn Millionen Zollstöcke. Bedruckt werden sie in Annweiler. Täglich gehen rund 30.000 Rohlinge über die Bänder der Firmendruckerei.

In seiner Urform ist der Klappmeter, wie man ihn heute kennt, erhalten geblieben. Er ist über die Jahrzehnte aber technisch verfeinert worden. "Der Einrastmechanismus wurde perfektioniert, sowie auch die Geradlinigkeit des zusammengeklappten Maßstabs auf der seitlichen Fläche", erklärt Dähne. Mittlerweile habe das Unternehmen ein Kunststoffgelenk entwickelt, das es ermöglicht, die einzelnen kleinen Latten des Metermaßes noch enger zueinander zu bringen und somit die Fläche für den Werbedruck zu ebnen.

Viele Schritte nötig

Denn da der Klappmeter ein praktischer Alltagsgegenstand für jedermann ist und eine dafür recht große Druckfläche aufweist, wird er gerne als Werbemittel genutzt: 80 Prozent der produzierten Zollstöcke werden als solche verkauft. Hergestellt wird das Messwerkzeug noch immer aus Buchenholz. Der Naturwerkstoff muss sorgfältig gelagert, mehrfach getrocknet und geschnitten werden, erklärt Dähne: "Es ist eine Kunst, das Holz so hinzubekommen". Viele Schritte seien nötig, um aus einem Baumstamm ein perfekte Maßwerkzeug herzustellen.

Für die meisten europäischen Handwerker ist das Gelenkmaß noch immer ein ständiger Begleiter. Das klappbare Werkzeug werde von vielen geschätzt, weil es aus der Arbeitshose immer schnell zur Hand sei, sagt Dähne. Neue digitale Messgeräte zeigten nicht bei jeder Gelegenheit einen größeren praktischen Nutzen: "Die Länge eines Tisches misst sich auch heute noch am besten mit einem normalen Metermaß", ist er überzeugt.