epd-bild/Ingrid Sabisch/Knesebeck Verlag
Sophie Scholl und ihr Bruder Hans werfen am 18. Februar 1942 Flugblätter in den Lichthof der Münchner Universität. In ihrer Graphic-Novel "Sophie Scholl" erzählt Ingrid Sabisch die Lebensgeschichte der jungen NS-Widerstandskämpferin.
«Sophie Scholl zu zeichnen, war nicht leicht»
Ingrid Sabisch hat
eine Graphic Novel über die NS-Widerstandskämpferin herausgebracht
Ein Jahr hat Ingrid Sabisch an einer Graphic Novel über Sophie Scholl gearbeitet. Anhand von Büchern, Filmen und Internetrecherchen hat sie das Leben der jungen NS-Widerstandskämpferin rekonstruiert - und sich gefragt, was sie selbst getan hätte.
08.10.2015
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Pia Jaeger (epd)

München (epd)Schnellen Schrittes und etwas hektisch betritt Ingrid Sabisch das Café "Küss die Hand" in München, in dem gleich die "Release Party" zu ihrer neu erschienen Graphic-Novel "Sophie Scholl" stattfinden wird. Aufgeregt nimmt sie das Buch in die Hand, das sie bislang noch nicht in gedrucktem Zustand gesehen hat, blättert flüchtig durch die Seiten und beäugt kritisch die Farben. "Es ist am Anfang immer merkwürdig", sagt sie, "wenn die eigene Arbeit, die man für sich im stillen Kämmerlein gemacht hat, plötzlich für alle sichtbar da draußen ist. Jeder, der will, kann sich meine Arbeit jetzt anschauen."

Ingrid Sabisch (42) ist in Nürnberg aufgewachsen, hat in Würzburg Graphikdesign und in Belgien Trickfilm studiert. Nachdem sie schon länger in einem Trickfilmstudio in Stuttgart gearbeitet hat, lud eine Comic-Zeichnerin sie nach Berlin ein. "Damit hat eigentlich alles angefangen, das war mein Einstieg in die Comic-Szene", erinnert sich Sabisch.

Auseinandersetzung belastend

Ein Jahr hat sie an der Graphic-Novel "Sophie Scholl" gearbeitet. Um sich der Protagonistin zu nähern, hat die Sabisch Museen besucht, Bücher gewälzt und Filme geschaut. Auch den Friedhof am Perlacher Forst, auf dem die Geschwister Scholl und weitere Mitglieder der Weißen Rose beerdigt sind, hat sie besichtigt.

Sophie Scholl, 1921 in Forchtenberg geboren und 1943 in München hingerichtet, wandelte sich vom jungen BDM-Mädchen zur Widerstandskämpferin. Als Studentin schloss sie sich der Weißen Rose an und half, NS-kritische Flugblätter zu vervielfältigen und zu verbreiten, bis sie im Februar 1943 erwischt wurde, als sie diese in der Ludwig-Maximilians-Universität München verteilte.

Die Lebensgeschichte bis zur Hinrichtung im Strafgefängnis München-Stadelheim wird nun im Comic nacherzählt. Die intensive Auseinandersetzung mit der NS-Zeit hat Sabisch gelegentlich als belastend empfunden. "Natürlich habe ich mir die Frage gestellt, was ich selbst getan hätte", sagt sie. "Sophie Scholl war sicherlich irgendwann bewusst, dass sie ihr Leben riskiert hat", ist die Zeichnerin überzeugt.

Liebesgeschichte im Fokus

Besonders beeindruckt hat sie die Art, wie in der Familie Scholl über alles diskutiert wurde. "Die Eltern haben die Kinder dazu ermutigt, sich eine eigene Meinung zu bilden", so Sabisch. "Anderssein durfte bestehen, und es wurde darüber geredet." Sophie Scholl stammte aus einem liberal-evangelischen Elternhaus, die Mutter war vor ihrer Heirat Diakonisse gewesen.

In dem Buch konzentriert sich die Zeichnerin vor allem auf die Liebesgeschichte zwischen Sophie Scholl und Fritz Hartnagel. "Wir wollten einen Aspekt aufgreifen, der bislang noch nicht so oft im Fokus stand", erklärt Sabisch. Hartnagel habe sich von einem begeisterten Soldaten zu einem Gegner des NS-Regimes gewandelt. Die Idee, den Fokus auf die Liebesgeschichte zu legen, stammte vom Coautor, dem Comic-Fachjournalisten Heiner Lünstedt. Mit dem Leiter des Münchner Comic Festivals hat Sabisch schon einmal zusammengearbeitet, 2013 entstand die Graphic-Novel "Willy Brandt"

"Die Figur Sophie Scholl zu zeichnen, war nicht leicht", erzählt Sabisch. Junge Menschen haben weniger Falten und eindeutige Kennzeichen. Einziges Alleinstellungsmerkmal war die Frisur. Aber auch die ändert sich im Lauf der Geschichte - von einem frechen Kurzhaarschnitt zur bekannten Langhaarfrisur. In Bezug auf die Fakten haben sich die Zeichnerin und der Autor von der Münchner Stiftung der Weißen Rose e.V. beraten lassen. "Fiktion und Realität sollten nicht zu weit auseinander driften", betont Sabisch.

Schon wieder auf dem Sprung

Allein von Graphic-Novels und Comics kann Ingrid Sabisch nicht leben. Daher illustriert sie viel und zeichnet Storyboards für Werbefilme. Schon arbeitet die Zeichnerin am nächsten Projekt: "Sobald ein Buch erschienen ist, bin ich auf dem Sprung und will wissen, wie es weitergeht", beschreibt sie. Von der Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit hat sie "erstmal genug". Stattdessen soll es ein aktuelles Thema werden: "Der 'Mythos Mutti' brennt mir total unter den Nägeln", sagt die zweifache Mutter. "Mit Kindern ändert sich viel im Rollenverständnis eines Paares. Das finde ich spannend."