Witten (epd)Sie fangen plötzlich an zu schreien, wandern scheinbar ziellos umher und stellen zum wiederholten Mal die gleiche Frage: Solches "herausforderndes Verhalten" von Demenzkranken sollten Pflegekräfte und Angehörige aber nicht nur als negativ und unnormal ansehen, sagt Martina Roes vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Witten dem Evangelischen Pressedienst (epd). Vielmehr machten die Kranken auf sich aufmerksam, um ihre Bedürfnisse zu äußern.
"Nur weil jemand kognitiv beeinträchtigt ist, dürfen wir ihm Bedürfnisse nicht absprechen", betonte Roes, die Sprecherin des Wittener DZNE-Standorts ist. Demenzkranke könnten ihre Wünsche nur nicht angemessen ausdrücken. Zu sagen: "Der hat Demenz. Der weiß nicht, was er tut", sei fatal. Verlasse ein Demenzkranker etwa immer wieder seine Altenpflegeeinrichtung und laufe davon, könne der Grund dafür in seiner Biografie liegen. Vielleicht habe derjenige früher einen großen Garten vor seinem Haus gehabt, in den er sich nun sehne, sagte die Soziologin, deren Team seit 2009 zum herausfordernden Verhalten forscht.
Gemeinsam nach Lösungen suchen
Roes forderte Pflegekräfte dazu auf, sich in Fallbesprechungen systematisch über die Betreuung von Demenzkranken auszutauschen. Lösungen sollten nicht einfach "aus dem Bauch heraus" entschieden werden. Pflegekräfte, Ergotherapeuten, Hauswirtschaftler, Sozialdienste und Angehörige sollten gemeinsam nach Lösungen suchen. "Es ist wichtig, den Menschen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten", betonte Roes. Jeder Pflegeheim-Mitarbeiter sehe den Erkrankten in einem anderen Kontext - der eine in der Pflege, der andere im Singkreis oder zu den Mahlzeiten.
Angehörige erhalten nach den Worten der Expertin bei Demenz-Netzwerken oder Beratungsstellen vor Ort Hilfe zum Umgang mit provozierendem Verhalten. Roes sieht in den Pflegeeinrichtungen Verbesserungsbedarf. "Die Einrichtungsträger müssen Geld in die Hand nehmen, wenn sie sich intensiver mit herausforderndem Verhalten beschäftigen wollen", sagte Roes. Alle Mitarbeiter benötigten dafür die entsprechenden Kompetenzen.