epd-bild/Thomas Rohnke
Eine Besucherin betrachtet in der Ausstellung "Dialog der Meisterwerke" im Städel Museum in Frankfurt am Main zwei Werke von Martin Kippenberger.
Schönheit und Brutalität
Frankfurter Städel-Museum initiiert zum
Jubiläum «Dialog der Meisterwerke»
Botticelli, Tischbein, Beckmann: Vom 7. Oktober bis 24. Januar treffen 65 Meisterwerke aus aller Welt auf die Lieblinge des Frankfurter Städel-Museums. Der «Dialog» stellt verblüffende Bezüge her.
07.10.2015
epd
Dieter Schneberger (epd)

Frankfurt a.M. (epd)Majestätisches Profil, sinnliche Lippen und ein rotes Band im güldenen Haar: Sandro Botticellis 1480/85 entstandenes Porträt der 16-jährigen Adelstochter Simonetta Vespucci gehört zu den Prunkstücken des Frankfurter Städel-Museums. Aus Anlass des 200-jährigen Bestehens des Kunstinstituts hat die schöne Florentinerin für dreieinhalb Monate ein ebenso betörendes Gegenüber bekommen - das 1863 entstandene Damenbildnis "Fazio's Mistress (Aurelio)" des Engländers Dante Gabriel Rossetti aus der Londoner Tate. Zum Staunen und Vergleichen.

Insgesamt hat das Städel zu seiner prächtigen Jubiläumsausstellung 65 Meisterwerke aus den renommiertesten Museen der Welt nach Frankfurt geholt, um sie mit Städel-Lieblingen zusammenzubringen und damit kunstgeschichtliche Bezüge herzustellen, wie Direktor Max Hollein hervorhebt. Die in ihrer Qualität und Bandbreite einzigartigen Leihgaben etwa aus der Albertina in Wien, dem Londoner Victoria and Albert Museum, dem Musée d Orsay in Paris, der Tate in London, den Vatikanischen Museen und der National Gallery of Art in Washington seien auch "ein Zeichen der internationalen Wertschätzung des Städel".

40 Konstellationen zu sehen

Die von allen sieben Sammlungsleitern des Städel kuratierte Ausstellung "Dialog der Meisterwerke. Hoher Besuch zum Jubiläum" erstreckt sich über alle vier Etagen des Hauses am Frankfurter Museumsufer. Zu sehen sind 40 Konstellationen von Bildern, Grafiken, Videoarbeiten und Skulpturen. So trifft etwa in der Galerie für Alte Meister das aus Washington angereiste Werk Verkündigung an Maria (um 1434/36) von Jan van Eyck (1390-1441) auf dessen Lucca-Madonna (1437) aus dem Städel.

Eine nicht minder spektakuläre Zusammenkunft bilden Rembrandt Harmenszoon van Rijns "Die Blendung Simsons" (1636) und die von Artemisia Gentileschi 1612/13 ins Bild gesetzte Enthauptung des assyrischen Feldherrn Holofernes durch die junge jüdische Witwe Judith. Die drastische und überaus brutale Darstellung Gentileschis sei darauf zurückzuführen, dass die Künstlerin zuvor in der Werkstatt ihres Vaters vergewaltigt worden sei, erläutert Kurator Jochen Sander. "Damit hat sie sich die Verletzung und die Demütigung von der Seele gemalt."

Kaum ein anderes Gemälde des Städel-Museums ist in der Öffentlichkeit so präsent wie Johann Heinrich Wilhelm Tischbeins (1751-1829) Porträt Goethes in der römischen Campagna von 1787. Dieses Herzstück der Sammlung "Kunst der Moderne" wird unter anderem Vorstudien des Malers aus dem hessischen Haina und einem orange-roten Siebdruck des US-amerikanischen Pop-Art-Mitbegründers Andy Warhol aus dem Jahr 1982 gegenübergestellt.

Werke zeigen: Die Satten sehen weg

Für den expressionistischen deutschen Maler Franz Marc (1880-1916) standen Tiere dem Göttlichen näher als der Mensch, da sie sich seiner Meinung nach im spirituellen Einklang mit der Natur befanden. Entsprechend präsentiert er seinen sibirischen Schäferhund "Russi" (1911) aus der Städel-Sammlung und sein Ölgemälde "Tiger" (1912) aus der Städtischen Galerie im Lenbachhaus München als unschuldige Lebewesen in perfekter Harmonie.

In der Ausstellungshalle der Graphischen Sammlung kommen außergewöhnliche Zeichnungen, Gemälde und Druckgrafiken zusammen. So werden unter anderem zwei Werke des Kupferstechers und Zeichners Hendrick Goltzius (1558-1617) gegenübergestellt, die die Entwicklung seiner Zeichentechnik innerhalb weniger Jahre zeigen. Einen weiteren Dialog gehen jeweils zwei grafische Arbeiten von Rembrandt (1606-1669) und Pablo Picasso (1881-1973) ein.

In der Sammlung Gegenwartskunst wird den Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten und aus Ostafrika, die auf der gefährlichen Überfahrt nach Europa über das Mittelmeer ertrunken sind, ein Denkmal gesetzt. Dort wird etwa eine exakte Kopie des Gemäldes des französischen Romantikers Théodore Géricault "Das Floß der Medusa" aus dem Jahr 1859/60 Arbeiten von Martin Kippenberger (1953-1997), Dierk Schmidt, Markus Muntean und Adi Rosenblum gegenübergestellt. Alle Werke verweisen auf die unterlassene Hilfeleistung auf hoher See und auf den Skandal des Wegsehens der Satten und Vermögenden dieser Welt.