sanfter Niederkunft im Kerzenschein
Osnabrück (epd)Friedemann schläft selig im Körbchen auf dem Fußboden. Vor acht Wochen kam er auf die Welt. Geburtshelfer war nur sein Vater. Eigentlich wäre dafür Hebamme Beate Krüger zu Hause bei Familie Woborschil/Susnjar zuständig gewesen. Doch sie traf ein, als Friedemann schon auf der Welt war. "Wir haben Beate einfach zu spät angerufen", erzählt Mutter Stefanie Woborschil (32). Schließlich hatte sie schon Erfahrung. Auch Tochter Marta ist vor drei Jahren zu Hause geboren.
So wenig Aufwand selten
Davor Susnjar (33) hat seiner Frau den Rücken massiert und darauf geachtet, dass sie richtig atmet. Ihr Sohn ist dann im Schlafzimmer geboren. "Und ich hab ihn gehalten, direkt als er rauskam", erzählt er, "das fand ich total gut."
So wenig Aufwand habe sie selten, sagt Beate Krüger (49). Die Hebamme fährt bis zu 100 Kilometer zu Schwangeren, Gebärenden und Frauen im Wochenbett. Im ganzen Raum Osnabrück, Diepholz, Vechta gibt es außer ihr nur noch eine weitere Hebamme, die Hausgeburten betreut. Alle anderen haben aufgegeben. Denn die Haftpflichtprämien steigen stetig.
Um die Kosten für die derzeit fälligen 6.274 Euro pro Jahr wieder reinzubekommen, braucht Beate Krüger allein acht Hausgeburten. "Von Januar bis Juli hatte ich 14 - einschließlich Rufbereitschaft rund um die Uhr und Nachsorge, auch am Wochenende und nachts", erzählt sie. "Lange werde ich das so auch nicht mehr durchhalten."
Der mit 18.500 Mitgliedern größte "Deutsche Hebammenverband" sieht den Berufsstand der selbstständigen Hebammen in Gefahr. Auch die Zahl der Geburtshäuser sinke, sagt Präsidentin Martina Klenk. Dadurch könne die gesetzlich verankerte freie Wahl des Geburtsortes schon jetzt in vielen Regionen nicht mehr gewährleistet werden.
Haftpflichtprämien auf normalem Level
Die Haftpflichtprämien steigen, weil die Gerichte den Kindern, die unter der Geburt Schäden erlitten haben, inzwischen hohe Ausgleichszahlungen zusprechen. "Wir wollen dieses Geld niemandem streitig machen. Die Kinder und ihre Familien haben Anspruch auf eine gute Versorgung", betont Klenk. Aber die gesamte Gesellschaft müsse sich etwa in Form eines Haftungsfonds an den Kosten beteiligen. Auch ein Modell ähnlich der gesetzlichen Unfallversicherung wäre vorstellbar. Dann könnten Haftpflichtprämien, die auch Mediziner und Krankenhäuser belasteten, auf einem normalen Level bleiben.
Nach mehreren erfolglosen Verhandlungsrunden mit dem GKV-Spitzenverband hat die Schiedsstelle am Freitag eine Entscheidung getroffen, die nach Meinung des Verbandes die Lage für die Hebammen noch verschlechtert. Die Ausgleichszahlungen für die hohen Haftpflichtprämien seien geringer als vorher. Zudem zahlten die Krankenkassen künftig für eine Hausgeburt, bei der der errechnete Geburtstermin um drei Tage überschritten ist, nur noch dann, wenn zuvor ein Facharzt sein Okay gegeben hat.
"Das ist eine Katastrophe für alle Hebammen in Deutschland und der Untergang der Hausgeburt", sagt Präsidentin Klenk. Ihre Kolleginnen könnten selbst einschätzen, wann eine Hausgeburt zu gefährlich sei.
Viele Klischees
Die freie Geburtsortswahl der Mutter ende dann, wenn die Wunschbehandlung zum Sicherheitsrisiko für das Kind werde, argumentieren dagegen der GKV und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Frank Louwen vom Vorstand der Gesellschaft räumt allerdings ein, dass statistisch gesehen die Hausgeburt bei gesunder Mutter und gesundem Kind kein größeres Risiko für Komplikationen berge als die Krankenhausgeburt.
Stefanie Woborschil regt sich richtig auf, wenn sie daran denkt, welche Klischees viele Menschen mit Hausgeburten verbinden: "Als sei die Mutter auf einem Esoterik-Trip mit Kerzenschein und Räucherstäbchen." Es werde unterstellt, das Risiko für das Kind sei ihr egal, sagt sie und fügt vehement hinzu: "So ist das aber nicht".
Sie seien beide kühl kalkulierende, sehr rational denkende Menschen, ergänzt Vater Davor Susnjar. Viele Untersuchungen und Überwachungsgeräte täuschten eine Sicherheit vor, die es auch in der Klinik nicht gebe. Außerdem werde aus Zeit- und Personalmangel viel zu oft in den Geburtsverlauf eingegriffen, kritisiert der Vater. "Zu Hause sind alle entspannt. Die Hebamme ist nur für die Gebärende und ihr Kind da und lässt ihr alle Zeit der Welt."
Die beiden haben Bücher gewälzt, Statistiken ausgewertet und sind keiner noch so kontroversen Diskussion ausgewichen. "Ich bin froh, dass es Krankenhäuser gibt", sagt Stefanie Woborschil: "Und wenn bei uns etwas schiefgegangen wäre, wären wir in fünf Minuten in der Klinik gewesen. Aber wenn Mutter und Kind gesund sind, spricht nichts gegen eine Hausgeburt."
Auf dem Bauch herumgedrückt
Das würde im Prinzip auch Medizinprofessor und Geburtshelfer Frank Louwen unterschreiben. Dennoch sei eine Geburt im Krankenhaus sicherer, weil im Fall einer Komplikation nicht wertvolle Zeit verloren gehe. Immerhin bestätigten diese Auffassung seit Jahren rund 98 Prozent der schwangeren Frauen, sagt er: "Sie haben die freie Wahl des Geburtsortes und entscheiden sich für das Krankenhaus."
Die freie Wahl hatte auch Ester Enneking. Die 38-Jährige hat vier Kinder. Ole und Johann sind in einer Klinik zur Welt gekommen. "Da ging alles angeblich nicht schnell genug", erzählt sie: "Also wurde ich an den Wehentropf gehängt und mir wurde auf dem Bauch herumgedrückt." Sie habe ständig Angst gehabt, dass etwas schiefgehen könnte. Deshalb entschied sie sich bei den beiden jüngeren Kinder für eine Hausgeburt: "Enno und Henni sind ganz in Ruhe und friedvoll geboren. Und ich hatte das schöne Gefühl, dass ich die Fähigkeiten in mir habe, ein Kind zu gebären. Dafür bin ich dankbar."