Provinzkomödien zeichnen sich in der Regel durch zwei Merkmale aus: Das Tempo ist überschaubar, die Menschen sind verschroben. Vermutlich ist es gar nicht so leicht, den jeweiligen Mittelweg zu finden: Die Inszenierung darf nicht zu gemächlich werden, denn sonst wirkt sie leicht betulich; und wenn die Figuren zu skurril ausfallen, werden sie unglaubwürdig. Bei "Pampa Blues" ist diese Gratwanderung großartig gelungen, zumal die Geschichte bei Grimme-Preisträger Kai Wessel ("Zeit der Helden") in den besten Händen ist. Bemerkenswert ist vor allem die Bildgestaltung (Hagen Bogdanski). Der Film erinnert auch musikalisch an typisch amerikanische "Indian Summer"-Produktionen; in seinem letzten mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichneten Spreewaldkrimi ("Mörderische Hitze") hatte Wessel für eine ähnlich intensive Spätsommerstimmung gesorgt.
Nicht minder imposant ist die Tatsache, dass "Pampa Blues" eine äußerst überschaubare, aber dennoch reizvolle Geschichte erzählt. Der Schweizer Schriftsteller Rolf Lappert hat seine eigene Romanvorlage so adaptiert, dass aus dem Jugendbuch ein Film für Erwachsene geworden ist. Die Perspektive hat er jedoch beibehalten: Hauptfigur ist der 16jährige Ben (Sven Gielnik), der mit seinem Großvater irgendwo auf der schwäbischen Ostalb wohnt. Der Junge träumt von Afrika, kann aber nicht weg, weil Opa Karl (Klaus A. Müller-Oi) dement ist. Ansonsten gibt es nur noch eine Handvoll Leute in dem ausgestorbenen Kaff. Ben arbeitet in der Autowerkstatt von Maslow (Joachim Król), dem auch das Wirtshaus gehört. Maslow war mal Golfprofi und mag Amerika. Auch er hat einen Traum: Er will das Dorf in die Schlagzeilen bringen, damit endlich wieder Leben herrscht. Als Vorbild dient ihm das legendäre Roswell: Außerhalb New Mexicos hätte niemand je von dem Ort gehört, wenn hier nicht 1947 angeblich ein Ufo abgestürzt wäre. Deshalb hat Maslow ein Mini-Ufo gebastelt. Den unterbelichteten Anteil der Dorfbewohner hat er mit seinen nächtlichen Aktionen schon überzeugt. Nun fehlt ihm nur noch die Presse, die das Ufo-Phänomen in die Schlagzeilen bringt. Als eine junge Frau mit Kamera ins Dorf kommt, wähnt sich Maslow auf dem besten Weg, doch die vermeintliche Journalistin (Paula Beer), angeblich auf der Durchreise nach Meran, ist nicht zufällt in der Ostalb gelandet; und Ben ist umgehend hingerissen vom kratzbürstigen Charme der kessen Lena.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
"Pampa Blues" ist also auch eine Liebesgeschichte, doch die Romanze entwickelt sich eher subtil, zumal Lappert und Wessel noch viel mehr zu erzählen haben. Die Handlungsebene mit dem Ufo, die am Ende auf Umwegen tatsächlich für den erwünschten Medienrummel sorgt, erinnert an Niklaus Schillings wunderbaren "Willi-Busch-Report" (1979) mit Tilo Prückner als Provinzjournalist, der mit nächtlichen Streichen dafür sorgt, dass er tagsüber was zu schreiben hat. In den Szenen mit Ben und seinem Großvater wird der Film zur Demenzkomödie, aber auch diese Ebene nutzen Wessel und Lappert nicht für vordergründige Gags; die Vorfälle sind nie bloß komisch, sondern immer auch schmerzlich schön. Das gilt ohnehin für die gesamte Atmosphäre. Einige der Einwohner mögen ziemlich kauzig sein, aber sie werden nicht bloßgestellt. Viele Details streut Wessel ohnehin angenehm beiläufig ein; oft entsteht der Humor bloß durch einen Schnitt. Umso größer sind dafür die Bilder. Einstellungen wie der Blick auf Opa Karl, der in einer Hochsommertotalen wie der Jesus von Rio mit Vogelfutter in den Händen auf einer Wiese steht, würde auch eine Kinoleinwand füllen.