Berlin, Köln (epd)Im Erzbistum Köln gibt es zwölf Hospize. Im Durchschnitt der vergangenen Jahre mussten dort Medikamente im Wert von rund 159.000 Euro vernichtet werden, obwohl deren Verfallsdatum noch nicht abgelaufen war. Bezogen auf ganz Nordrhein-Westfalen dürfte die Summe bei über 850.000 Euro liegen. "Diese Vorschrift im Arzneimittelgesetz ist medizinisch und ökonomisch unsinnig", urteilt Diözesan-Caritasdirektor Frank Johannes Hensel.
Nur Morphine Ausnahme
Doch die Rechtslage ist eindeutig: Unverbrauchte Medikamente eines Hospiz-Patienten dürfen nicht weiterverwendet und müssen ordnungsgemäß entsorgt werden. Ausdrücklich ausgenommen sind nur Medikamente, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, etwa Morphine.
Dazu erläutert die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) auf Anfrage: "Nicht mehr benötigte Betäubungsmittel, die der Arzt einem Patienten in einem Alten- oder Pflegeheim, einem Hospiz oder in der ambulanten Palliativversorgung verschrieben hat und die er unter seiner Verantwortung gelagert hat, dürfen einem anderen Patienten dieser Einrichtung verschrieben werden." Ebenfalls erlaubt ist es, diese Schmerzmittel an eine Apotheke zur Weiterverwendung in einer der genannten Einrichtungen zurückzugeben oder die Präparate in den sogenannten Notfallvorrat des Hospizes aufzunehmen.
Grundsätzlich aber dürfen Arzneimittel, die nicht mehr benötigt werden, nicht zur Behandlung anderer Kranker verwendet werden, betont die ABDA. Diese Vorgabe diene dem Schutz des potenziellen "Zweit-Patienten". Niemand könne einem Arzneimittel ansehen, ob es tatsächlich richtig gelagert wurde.
"Die Wegwerf-Vorschrift sichert allenfalls die Absatzmengen der pharmazeutischen Produkte, sie schützt aber nicht die Patienten", hält Caritaschef Hensel dagegen. Es sei dringend erforderlich, dass Ärzte unverbrauchte und ungeöffnete Medikamente weiter verordnen dürfen.
Viele Hürden nehmen
"Die Initiative der Caritas leuchtet ein. Ideal wäre es, wenn diese Arzneimittel für andere Patienten nutzbar gemacht werden könnten", sagte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. So würde die Versichertengemeinschaft viele Millionen Euro pro Jahr sparen.
Allerdings sei auch Vorsicht geboten: "Es müssen juristische, medizinische und pharmazeutische Hürden genommen werden." Die Frage sei, ob sich ein gut gemeintes Verwertungssystem am Ende noch rechne. Die Stiftung schlägt vor, dass die Bundesregierung eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gibt, die von praktischen Pilotprojekten flankiert wird. "Nach drei Jahren Erfahrung sollte geklärt sein, ob Nutzen und Aufwand in einem gesunden Verhältnis stehen."
Vorsichtig äußerte sich der GKV-Spitzenverband: "Eine gesetzliche Änderung müsste aus Gründen der Arzneimittelsicherheit eine ordnungsgemäße Lagerung der Arzneimittel ebenso sicherstellen wie aus privatrechtlichen Gründen die Eigentumsverhältnisse berücksichtigen. Denn: Die Medikamente Verstorbener gehen ins Eigentum der Erben über. "Unter diesen Bedingungen hielten wir einen solchen gesetzlichen Vorstoß für ernsthaft diskussionswürdig. Das mögliche Einsparvolumen lasse sich nicht beziffern. Es fehlten verlässliche Schätzungen zu unverbrauchten Arzneimittel in den Einrichtungen.
Kleine Anfrage gestellt
Bei der Grünen-Bundestagsfraktion wollte man sich noch nicht zum Thema äußern. Es fehle an Daten und Fakten, hieß es im Büro von Kordula Schulz-Asche, der Sprecherin für Prävention und Gesundheitswirtschaft. Aber: Die Grünen wollen der Bundesregierung jetzt eine Kleine Anfrage zur Vernichtung von Arzneimitteln in Hospizen zu stellen. Dann werde vielleicht auch klar, warum mit "normalen" Arzneien anders verfahren wird als mit der viel strenger reglementierten Nutzung von Betäubungsmitteln.