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Flüchtlingscamp am syrisch-türkischen Grenzübergang Bab Al-Salam (Archivbild). Viele Menschen flüchten vor der unerträglichen Situation in den großen Lagern der Nachbarstaaten Syriens.
Nahost-Experte: Zerfall Syriens bedroht Stabilität Europas
Der Nahost-Experte Günter Meyer hat davor gewarnt, dass ein völliger Zerfall des syrischen Staates die Flüchtlingsströme nach Europa vervielfachen könnte.
23.09.2015
epd
Karsten Packeiser (epd-Gespräch)

Mainz (epd)"Sollte Syrien weiter destabilisiert werden, wird das Land auch zu einer Gefahr für die Stabilität der Europäischen Union", sagte der Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt an der Universität Mainz dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zugleich sieht der Wissenschaftler durch die Flüchtlingskrise und das russische militärische Engagement in Syrien einen Wendepunkt des seit 2011 tobenden Bürgerkriegs erreicht, der eine politische Lösung möglich mache.

Chance für politische Gesamtlösung

Der Zusammenbruch des Assad-Regimes und das darauffolgende politische Vakuum werde wegen der unabsehbaren Folgen auch vom Westen nicht mehr gewollt. Mit dem Kampf gegen die Terrorbewegung "Islamischer Staat" gebe es ein gemeinsames Ziel, auf das sich alle internationalen Akteure des Konfliktes einigen könnten. Dies bedeute zugleich eine Chance für eine politische Gesamtlösung.

"Das hätte man eigentlich schon 2012 haben können", sagte Meyer. Eine in Genf bereits vereinbarte politische Lösung mit Übergangsregierung, Neuwahlen und neuer Verfassung, aber ohne sofortigen Rücktritt von Präsident Baschar al-Assad, sei damals noch am Widerstand der USA gescheitert.

Allerdings tobe in Syrien auch ein Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, zudem unterstützen weitere Regionalmächte die Kriegsparteien. "Die Hoffnung auf eine politische Lösung wird jetzt maßgeblich davon abhängen, ob sich die USA gegenüber Saudi-Arabien, Qatar und der Türkei durchsetzen", sagte der Experte. "Wir müssen damit rechnen, dass der Widerstand des saudischen Königshauses stark sein wird."

Falls es zu keinem schnellen Ende des Krieges komme, drohe Syrien eine dauerhafte Teilung in Regionen, die unter der Kontrolle des Assad-Regimes, des "Islamischen Staats", einer Allianz islamistischer Milizen und der Kurden stehen.

Unerträgliche Situation in Flüchtlingslagern

Bei den Syrern, die derzeit in großer Zahl nach Westeuropa fliehen, handelt es sich laut Meyer zu einem erheblichen Teil um junge Männer, die der Zwangsrekrutierung in die syrische Armee entgehen wollten. Aus den von Rebellen und dem IS gehaltenen Gebieten kämen Minderheiten und Gegner der Extremisten. Viele Menschen flüchteten derzeit aber auch vor der unerträglichen Situation in den großen Lagern der Nachbarstaaten.

Deutschland müsse sich darauf einstellen, dass ein Großteil der Syrer selbst bei einem Ende des Krieges zumindest mittelfristig in Deutschland bleiben werde. Syrien sei in großen Teilen zerstört, die Wirtschaft des Landes liege am Boden. Zudem bestünden weitere Rückkehrhemmnisse. So würden beispielsweise in den von kurdischen Milizen kontrollierten Gebieten die Grundstücke der Flüchtlinge enteignet und neu verteilt.