Nadia Bolz-Weber in der St. Thomas Episcopal Church in Denver.
Foto: Denver Post via Getty Images/Craig F. Walker
Körperkunst und klare Worte: Nadia Bolz-Weber
Die lutherische Pastorin Nadia Bolz-Weber ist in den USA ein Star
Ihr neues Buch "Zufällige Heilige" schaffte den Sprung auf US-Bestseller-Listen. Nadia Bolz-Weber leitet in Denver die Gemeinde "Haus für alle Sünder und Heiligen" und hat eine wachsende Fangemeinde. Sie ist überzeugte lutherische Christin.

Wird über Pastorin Nadia Bolz-Weber geschrieben, kommt meist früh im Text ein Hinweis auf ihre vielen Tattoos. Und es wird viel geschrieben über die ungewöhnliche lutherische Pfarrerin. Denn die Gründerin der Gemeinde "Haus für alle Sünder und Heiligen" in Denver (US-Staat Colorado) bringt Welten zusammen: Den Kulturkreis der Tattoos und traditionelle Verkündigung.

Das kommt offenbar an. Bolz-Weber sei eine "führende Stimme des progressiven Christentums", heißt es lobend auf der Webseite religionandpolitics.org. Und zwar eine muskulöse Version, findet die Tageszeitung "Washington Post". Bolz-Webers Buch "Accidental Saints" ist soeben erschienen und steht in den US-Beststeller-Listen. Es handelt von "zufälligen Heiligen", also Menschen, die trotz vieler Unzulänglichkeiten zu Jesus gefunden hätten, Heilige und Sünder zugleich, so wie sie selber. Beim Namen der Gemeinde ließ sie sich von Martin Luther (1483-1546) inspirieren. Für den Reformator seien wir alle "Sünder und Heilige" zugleich, sagt sie.

Nadia Bolz-Weber ist Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika, verheiratet mit einem Pastor und Mutter zweier Kinder. Die 46-Jährige hat Fans im ganzen Land. Bei Auftritten ist sie schwarz gekleidet, die Arme und ein Teil des Rückens sind frei. Man soll die Tätowierungen mit den biblischen Motiven sehen, etwa die von der Ankündigung der Geburt Jesu und die von Maria Magdalena, von der im Johannesevangelium steht, sie habe als erste von der Auferstehung erfahren.

Alles unter Kontrolle?

Die Tattoos seien "kein Panzer", versichert Bolz-Weber. Die Tinte erzähle ihre Lebensgeschichte. Die erste Tätowierung habe sie als Teenager machen lassen. Sie sei schon damals ungewöhnlich groß gewesen, über 1,80 Meter. Da habe ein Freund der Familie gesagt, sie sei halt "wie eine Rose mit einem langen Stil". Eine solche Rose sei ihre erste Tätowierung geworden, heute kaum mehr erkennbar.

Für manchen in der mitgliederstärksten lutherischen Kirche in den USA ist die Körperkunst wohl gewöhnungsbedürftig. Doch in den Predigten der Pastorin, streckenweise in deftiger Sprache gehalten, geht es ausgesprochen biblisch zu. Bolz-Weber spricht über Jesus, Sünde, gänzlich unverdiente Gnade. "Das ist für mich Verkündigung, die reinigende, vergebende Liebe Gottes", schreibt Bolz-Weber.

Und sie provoziert, wie jüngst bei einer Lesung in Washington vor Hunderten Zuhörern, überwiegend Frauen: Wie es nur dazu habe kommen können, dass aus nach Fisch riechenden Jüngern, Prostituierten und Steuereintreibern eine Mittelklasse-Kirche geworden sei, in der Kirchgänger einmal in der Woche feine Kleider anzögen und so täten, als habe man alles unter Kontrolle, fragt sie.

Als Erwachsene zum Glauben an Jesus gefunden

Der Markt der religiösen Möglichkeiten ist groß. Viele Amerikaner, vor allem junge, distanzieren sich von organisierter Religion, viele basteln sich einen "Patchwork"-Glauben. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Amerika hat zwischen 1987 und 2014 eineinhalb Millionen Mitglieder verloren. Bolz-Weber hat keine Ader für Esoterisches und Spirituelles - zu selbstverliebt und realitätsfern. Religiös zu sein bedeute, Mensch zu sein in Gemeinschaft und beim Gottesdienst, "von einem Gott zu erfahren, der vom Himmel gekommen ist, um in die Schmerzen und die Schönheit der Menschheit einzutreten".

Bolz-Weber ist in einem christlich-fundamentalistischen Elternhaus aufgewachsen. Das habe nicht geklappt. Nach viel Alkohol und Sex, der Suche bei neureligiösen Bewegungen und Variationen des Christentums habe sie als Erwachsene zu ihrem Glauben an Jesus gefunden und zu den Lutheranern, erzählt die Pastorin. Bischof Jim Gonia von der lutherischen Rocky-Mountain-Synode schätzt das "Haus für alle Sünder und Heiligen". Es habe "viele Menschen erreicht, die sich nicht willkommen gefühlt haben in anderen Gemeinden".

Das "Haus" hat angefangen mit acht Menschen, die sich zum Gespräch über ihr Leben, Gott und die Welt versammelten. Am ersten Adventssonntag 2008 kamen 30 Besucher zum ersten richtigen Gottesdienst. Heute sind es regelmäßig an die 200, darunter Schwule und Lesben, Menschen mit psychischen Problemen, verwundete Menschen und Ex-Alkoholiker, wie die Pastorin sagt. 

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