Gibt es in THE PROBLEM OF GOD ein Werk, das Sie besonders anrührt oder begeistert? Wenn ja – was vermittelt es Ihnen?
Isabelle Malz: Unsere Ausstellung präsentiert eine Auswahl aus einem großen Spektrum von Künstlern von Rang. Insofern sind all diese 33 Künstler gleich wichtig. Eine Auswahl ist natürlich sehr subjektiv geprägt. Wenn Sie mich schon nach meinen persönlichen Gefühlen fragen, so möchte ich die Arbeit der belgischen Künstlerin Berlinde De Bruyckeres mit dem Titel Letsel III (Verletzung) von 2008 nennen. Hier wie in ihrer Serie "Schmerzensmänner" reflektiert sie die Verletzlichkeit der Natur und des Menschen. Seine körperliche Hülle und sein psychischer Kern scheint sie symbolisch von außen nach innen und von innen nach außen zu stülpen.
Was hat es mit dem Titel der Ausstellung auf sich?
Malz: Reflexionsort und gedanklichen Ausgangspunkt für die Ausstellung ist eine Arbeit des in England lebenden Künstlers Pavel Büchler, die auch der Schau den Namen gegeben hat. Seine 2007 entstandene Arbeit richtet auf humorvoll intelligente Weise und in einem ambivalenten Sinne den Blick auf eines der Kernprobleme der Metaphysik: Das Unsichtbare, nicht Darstellbare entzieht sich demnach einer grundsätzlichen Anwesenheit.
(2007)
Malz: Eben diese Frage stößt die Auseinandersetzung mit dem monotheistischen Kernproblem sehr reizvoll an, wonach das Universelle nicht sichtbar sein kann. Ist es ein Problem Gottes, nicht sichtbar zu sein? Oder sind es die Menschen, in denen das Unsichtbare Zweifel hervorruft und die damit ein Problem haben? Folgen wir den Überlegungen des französischen Philosophen Jean-Luc Nancy zur "Dekonstruktion des Christentums", zeichnet sich der Monotheismus ja gerade durch den Rückzug Gottes aus der Präsenz aus.
Welche Hauptintention verfolgen Sie mit dieser Ausstellung?
Malz: Ich vermittele die Erkenntnis, dass sich Bilder aus der christlichen Bildtradition seit Jahrhunderten permanent weiterentwickeln, sich verselbständigen und im säkularen Raum Autonomie gewinnen. Es gibt also keine Konzentration auf religiöse Bezüge, kein Dogma von Ikonographie. Vielmehr geht es um traditionelle Darstellungen, die verstanden werden, die heute aufgegriffen und als Material umgewandelt werden in subjektive Kunstsprache.
"Wer der Beziehung von 'Bild und Bibel' nachspürt, wird auch bei uns fündig werden."
Welche Anstöße bekommt ein Ausstellungsbesucher vermittelt, der von seinen Alltagserfahrungen als Christ geprägt ist, in welcher Kirche auch immer?
Malz: Keine religiösen und auch keine, die auf die Institution Kirche zurück verweisen. Er wird aber einiges ihm Vertrautes wiederfinden, nicht eins zu eins, aber vielleicht in einer Verfremdung, die ihn interessieren wird. Beispielhaft möchte ich eine Drei-Kanal Videoinstallation in unserer Schau anführen, die sich mit der Verkündigung befasst, Verkündigung nachspielt, die Fragen des Glaubens und des Glaubens an Wunder angeht.
THE PROBLEM OF GOD verspricht eine Begegnung von hoher Komplexität, eben dezidiert keine bloße Wiedergabe christlicher Bildtradition durch die Jahrhunderte. Ist die Zugangsschwelle zu Ihrer Ausstellung höher als üblich?
Der aktuelle EKD-Schwerpunkt "Bild und Bibel" thematisiert die Bedeutung des Bildes bei der Ausbreitung der Reformation und des Luthertums bis heute. Gibt es in Ihrer Ausstellung hierzu Bezüge?
Malz: THE PROBLEM OF GOD ist keine theologische Ausstellung, folgt keiner Fragestellung im engeren christlichen Verständnis. Natürlich geht es um das Bild in seinem vielfältigen Kontext. Wer der Beziehung von "Bild und Bibel" nachspürt, wird auch bei uns fündig werden.
Wir erleben einen neuen Bildersturm im islamischen Fundamentalismus. Wir reagieren gerade in diesen Wochen betroffen auf prägnante visuelle Darstellungen von Tod und Elend unter Flüchtlingen. Bezieht Ihre Ausstellung hier Stellung?
Welchen Stellenwert hat THE PROBLEM OF GOD in Ihrer bisherigen Arbeit als Kuratorin?
Malz: Eine thematisch ausgerichtete Ausstellung ist immer besonders anspruchsvoll. Ich konnte allein vier Monate recherchieren und dabei auch sehr viele Künstler besuchen. Was mich besonders gefreut hat: Obwohl keiner von ihnen sich und seine Arbeit im engeren Sinne als religiös versteht, waren doch alle sehr angetan, sich in diesem thematischen Konzept wiederfinden zu dürfen.