In der aktuellen Debatte werden zwei Dinge oftmals vermischt oder gar verwechselt. Da sind einerseits die Flüchtlinge und Asylsuchenden, die nach Deutschland kommen, um Schutz für Leib und Leben zu suchen. Sie unterstehen dem Aufenthalts-, Asyl- und Sozialrecht, das jetzt von der Bundesregierung geändert werden soll. Da sind andererseits die Menschen, die hierher kommen, um zu lernen, zu studieren oder zu arbeiten, die aber jederzeit wieder in ihre Heimat zurückkehren können und oftmals auch wollen. Diese Menschen, die derzeit zu 60 Prozent aus EU-Staaten stammen, unterstehen seit über zehn Jahren dem Zuwanderungsgesetz und – vielleicht – demnächst einem Einwanderungsgesetz, über das unter den Parteien gestritten wird.
Denn die derzeitigen Regeln und Ausführungsbestimmungen seien einfach zu kompliziert und wenig praktikabel, moniert Thomas Groß, Professor für Öffentliches Recht, Europarecht und Rechtsvergleichung an der Universität Osnabrück. So gebe es viel zu viele Spezialbestimmungen für Hochakademiker oder in Mangelberufen, die vom Ausland aus kaum noch überblickbar seien und so Deutschland als Einwanderungsland wenig attraktiv erscheinen ließen. Immerhin wurden 2013 durch die "Verordnung zur Änderung des Ausländerbeschäftigungsrechtes" einige Schwellen abgebaut. So können Hochqualifizierte, Besitzer einer Blauen EU-Karte oder Ausländer mit anerkanntem Hochschulabschluss leichter eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Auch Drittstaatenangehörige ohne besondere Zulassung können seit zwei Jahren ein Praktikum oder sonstige Weiterbildung machen.
Die Ausweisung droht permanent
Aber die Hürden seien immer noch zu hoch. Selbst wer als begehrter Arbeitnehmer etwa im IT-Bereich eine feste Arbeitsstelle habe, werde noch über Jahre von deutschen Behörden kontrolliert, obwohl er schon eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis besitzt. Immer bestehe für Ausländer die Option der Ausweisung. "Dies alles sind keine Kennzeichen eines Einwanderungslandes", kritisiert Groß. Auf jeden Fall müssten die Hürden abgesenkt werden und die geltenden Regeln liberalisiert werden. Möglich wäre dabei nach den Empfehlungen der so genannten Süssmuth-Kommission, die schon 2001 formuliert wurden, die Einführung eines Kontingent-Punkte-Systems nach amerikanischem und kanadischem Vorbild.
Kritiker wie der Politikwissenschaftler Dietrich Thränhardt, Mitglied im Rat für Migration, halten diese Regelung jedoch für zu bürokratisch und unflexibel. Sie berge alle Nachteile einer Planwirtschaft in sich. Zwischen echtem Bedarf in der Wirtschaft und der politischen Freigabe gebe es zu große zeitliche Lücken. Vielmehr brauche es die unkomplizierte Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, damit ausländische Akademiker nicht dauerhaft Taxi fahren oder andere schlecht bezahlte Hilfsarbeiten machen müssten.
Das sei eine volkswirtschaftlich unsinnige Vergeudung menschlicher Ressourcen, meint auch Alexander Wilhelm von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. So dürfe die Anerkennung der Berufsabschlüsse nicht den Bundesländern überlassen werden, sondern müsse zentral geregelt werden. "Das ist noch wie ein Flickenteppich. Wir haben aber in Deutschland einen Bedarf an Fachkräften, zum Beispiel für Ingenieure, Mediziner, Schweißer, Elektriker, Altenpfleger. Für diese Fachkräfte brauchen wir flankierende Maßnahmen wie Sprachförderung und eine Willkommenskultur in Unternehmen wie Behörden", fordert Wilhelm.
Ihm pflichtet auch Kyoko Shinozaki, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Soziologie an der Ruhr-Universität Bochum bei: "Philippinische Pflegerinnen brauchen mindestens ein Jahr, bis ihre Abschlüsse in Deutschland anerkannt werden. Wieso dauert das so lange?" Deutschland sei immer schon von Migration geprägt. Nach über 15 Jahren Debatte müsse man endlich anerkennen, dass immer mehr Menschen einen Migrationshintergrund besäßen. Vor allem die konservative Politik müsse sich endlich von ihrer Realitätsverweigerung verabschieden.
Einwanderungsgesetz statt punktueller Aktionen
Immerhin, vor kurzem hat die Bundesregierung damit angefangen, aktiv ausländische Fachkräfte mit eigenen Initiativen wie "Make it in Germany" und der Hotline "Arbeiten und Leben in Deutschland" anzuwerben. Dieser punktuelle Aktionismus ersetzt aber mit Sicherheit kein neues Einwanderungsgesetz, das den aktuellen Anforderungen in der Bundesrepublik gerecht wird.