Lüneburg (epd)Das Landgericht Lüneburg hat am Montag die schriftliche Begründung seines Urteils gegen den früheren SS-Mann Oskar Gröning veröffentlicht. Das schriftliche Urteil ist eine der Grundlagen dafür, ob es zu einer Revision vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe kommen wird. Anwälte und Verteidiger haben nach Angaben des Landgerichts nun einen Monat Zeit, um ihre Gründe für eine Revision auszuführen. Fünf Anwälte der Nebenkläger sowie die Verteidiger Grönings haben Revision beantragt. (Az: 27 Ks 9/14)
Der 94-jährige Gröning war im Juli in einem aufsehenerregenden Prozess wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300.000 Fällen zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Richter befanden ihn für schuldig, durch seine Tätigkeit in dem Lager den fabrikmäßig organisierten Massenmord an ungarischen Juden unterstützt zu haben. Gröning hatte als Buchhalter in Auschwitz Gelder der Inhaftierten verwaltet. Zudem bewachte er zeitweise an der Bahnrampe in Auschwitz-Birkenau das Gepäck der dorthin verschleppten Menschen.
Merkmale der Heimtücke und Grausamkeit
Die schriftliche Begründung legt dar, dass die Morde die juristischen Merkmale der Heimtücke und Grausamkeit erfüllen. Das Landgericht betont dabei den Tatbestand der Beihilfe. Eine Verurteilung wegen Mittäterschaft komme nicht in Betracht. Strafmildernde Gründe habe die Kammer zwar geprüft, im Ergebnis jedoch verneint.
Die Mehrheit der insgesamt mehr als 70 Nebenkläger begrüßte über ihre Anwälte die Begründung. Das Urteil habe in klarer und einfacher Sprache den richtigen rechtlichen Maßstab gesetzt, an dem sich Staatsanwaltschaften und Gerichte auch in weiteren Strafverfahren gegen SS-Angehörige orientieren sollten, heißt es in einer Erklärung der Anwälte vom Montag.
"Die Urteilsgründe zeigen, wie wichtig die Beteiligung der Nebenkläger als Zeugen war", schreiben die Anwälte weiter. Ihre Aussagen hätten gezeigt, welches unermessliche Leid der Angeklagte ihnen durch seine Tatbeteiligung bis auf den heutigen Tag zugefügt habe. Das Urteil komme endlich zur richtigen rechtlichen Bewertung der Taten all jener SS-Angehörigen, die "an irgendeiner Stelle den arbeitsteilig organisierten fabrikmäßigen Massenmord gefördert haben".
Revision beantragt
Neben Grönings beiden Verteidigern haben insgesamt fünf Anwälte der Nebenkläger eine Revision beantragt. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf das Rechtsmittel. Die Verteidiger wollen eine Milderung der Strafe erreichen. Einige der Nebenkläger-Anwälte wollen dagegen, dass Gröning nicht nur wegen Beihilfe, sondern als Mittäter am Massenmord angeklagt wird. Weitere Vertreter der Nebenklage haben sich der Revision angeschlossen, um im Verfahren zu bleiben. Sie wollen verhindern, dass das Strafmaß noch herabgesetzt wird.
Nach Auffassung der Verteidigung könnte Gröning davon profitieren, dass er in früheren Verfahren gegen andere SS-Leute als Zeuge ausgesagt hat. Strafmildernd könne sich nach ihrer Auffassung zudem eine unrechtsmäßige Verfahrensverzögerung auswirken. Gröning war bereits 1978 als Beschuldigter vernommen, aber zunächst nie angeklagt worden. Beide Argumente lässt das Landgericht in seiner Begründung jedoch nicht gelten. Sollte der Bundesgerichtshof das Urteil bestätigen, prüft die Staatsanwaltschaft, ob Gröning haftfähig ist. Andernfalls muss das Landgericht Lüneburg den Fall erneut verhandeln.