20.9., ARD, 17.30 Uhr: "Gott und die Welt: Grenzgänge"
Ilja Richter steht im Mittelpunkt des dritten Teils der Grenzgänge-Trilogie. Er schließt die Filmreihe prominenter Schauspieler und Entertainer ab, die sich sehr persönlichen Lebens- und Wertefragen stellen. Der Autor und Schauspieler Richter hat jüdische Wurzeln. Seine Mutter war Jüdin, allerdings ohne besondere religiöse Bezüge. Man wollte eine normale deutsche Familie sein. Heute, mit Anfang sechzig, spürt Richter, dass da etwas ungelöst ist. Besonders deutlich wird das, wenn er auf seine alte jüdische Freundin Ilse trifft. Wenn er sie besucht, fühlt er sich "irgendwie jüdisch". Aber was genau bedeutet das eigentlich? Mit dieser Frage begibt sich Ilja Richter auf die Spuren jüdischen Lebens in seiner Heimatstadt Berlin. Ob im Tanzkurs, in dem traditionelle Tänze eingeübt werden, ob unterwegs auf Koscher-Kontrolle, ob beim Gottesdienst in einer orthodoxen jüdischen Gemeinde oder bei der Vorbereitung eines jungen Mädchens auf ihre Bar Mitzwa: Immer wieder begegnet Richter Fragen, die ihn persönlich tief bewegen - und die ihm gleichzeitig zeigen, wie bunt und vielfältig das jüdische Leben in Berlin ist.
21.9., Arte, 20.15 Uhr: "Der alte Mann und das Kind"
Frankreich, im Jahr 1944, zur Zeit der deutschen Besatzung. Claude ist acht Jahre alt. Wie alle Kinder seines Alters macht er Dummheiten und hat nur eines im Kopf: spielen. Doch er ist Jude und seine Eltern wechseln aus Angst, denunziert zu werden, immer wieder den Wohnort. Schließlich hilft ihnen eine den Juden wohlgesonnene Bekannte. Der Junge wird zu ihren Eltern aufs Land geschickt, um den drohenden Bombenangriffen zu entgehen. Ihr Vater ist jedoch zutiefst antisemitisch eingestellt. Er ahnt nichts von Claudes Herkunft, der einen katholischen Jungen mimt, und nimmt sich des Kindes an, das ihm den heiß ersehnten Enkel ersetzt. Schon bald empfinden beide eine tiefe Zuneigung füreinander. Mit seinen scheinbar naiven Fragen zu jüdischen Klischees sorgt Claude dafür, dass der Alte seine Vorurteile überdenkt. "Der alte Mann und das Kind" war 1967 das autobiografisch gefärbte Spielfilmdebüt von Claude Berri.
22.9., ZDF, 20.15 Uhr: "ZDFzeit: "Ost und West"; Arte, 20.15 Uhr: "Deutsche Einheit – Verpasste Chance"
Leider zeitgleich befassen sich ZDF und Arte mit der deutschen Einheit; der Kulturkanal widmet dem Thema gleich zwei Dokumentationen. Das ZDF geht in einer unterhaltsamen Mischung aus Umfragen, Tests und kurzen Reportagen der Frage nach, wie sich Ost- und Westdeutsche heute selbst und gegenseitig sehen und wie groß das Interesse am jeweils anderen Teil des Landes ist. Auf einer Reise durch ganz Deutschland zu Volksfesten, Festivals, Messen und Konzerten trifft das Filmteam auf Menschen aus den unterschiedlichsten Milieus und holt überraschende, gängige und provozierende Meinungen, Erwartungen und Vorurteile ein. Arte blickt dagegen zurück. Die Dokumentation "Wem gehört der Osten?" erinnert daran, dass zur Zeit der "Wende" Tausende Betriebe, Hunderttausende Wohnungen, Schlösser und Burgen, Seen und Küsten, Millionen Hektar Wald und Land als Volkseigentum galt. Mit dem Mauerfall stellte sich die schwierige Frage: Was gehört im Osten eigentlich wem? Und wem soll was in Zukunft gehören? 1990 stand ein ganzes Land zum Verkauf: Es herrschte Goldgräberstimmung, und Investoren aus aller Welt witterten das große Geschäft. Es begann eine Zeit riesiger, teilweise spektakulärer Deals, die bis heute das Gesicht Ostdeutschlands deutlich prägen. Der zweite Film des Abends, "Soko Deutsche Einheit - Die Ermittler der ZERV" (21.10 Uhr) untersucht die Arbeit der Task-Force "Einheit", die die historische Aufgabe hatte, die Verbrechen des SED-Regimes aufzudecken.
23.9., ARD, 20.15 Uhr: "Meister des Todes"
"Meister des Todes" ist eine Fiktionalisierung von Tatsachen: Die Hauptfiguren des Dramas sind erfunden, doch die skandalösen Ereignisse sind authentisch, wie die anschließend ausgestrahlte und ebenfalls von Daniel Harrich stammende Dokumentation "Tödliche Exporte" verdeutlicht. "Wie das G36 nach Mexiko kam" lautet der Titelzusatz der Reportage, und das ist quasi auch die Inhaltsangabe des Fernsehfilms, der seine Geschichte aus Sicht eines Waffenexperten erzählt. Ein junger Mann aus der Mitte der Gesellschaft muss mit Ereignissen fertig werden, die mindestens eine Nummer zu groß für ihn sind: Zunächst ist Peter Zierler mit Feuer und Flamme dabei, als er als Mitarbeiter des württembergischen Waffenherstellers HSW in Mexiko Vertreter von Militär und Polizei in die Funktionsweise des neuen Sturmgewehrs SG38 einführen soll. Kurz drauf gerät er versehentlich zwischen die Fronten einer Demonstration und muss mit ansehen, wie Polizisten ihr frisch erworbenes Wissen nutzen, um unbewaffnete Studenten zu erschießen. Schockiert will Zierler aussteigen, zumal sich herausstellt, dass HSW mit Duldung der Politik die Auflagen der Rüstungsexportkontrolle umgangen hat.
24.9., ZDF, 20.15 Uhr: "Das Kloster bleibt im Dorf"
Der Film ist nur scheinbar die leichte Komödie, die der Titel erwarten lässt. Tatsächlich gelingt dem Autor Thomas Oliver Walendy das Kunststück, seine Geschichte mit grundsätzlichen theologischen Gedanken zu verknüpfen. Zunächst jedoch ist der Tonfall in der Tat heiter. In einem der Kontemplation gewidmeten Eifelkloster gehen die letzten drei Nonnen und eine Novizin ihrem üblichen Tagwerk nach: beten und arbeiten. Sie ahnen nicht, dass ein Bischof längst das Ende ihres beschaulichen Daseins beschlossen hat: Die katholische Kirche braucht Geld, also soll das Kloster verkauft werden. Da die Damen neben Armut und Keuschheit auch Gehorsam gelobt haben, ist die Auflösung des uralten Besitzes, mit dem an ein mittelalterliches Wunder erinnert wird, scheinbar bloß Formsache. Aber dann wehrt sich das Quartett nach Kräften gegen die Säkularisierung des ehrwürdigen Gemäuers.
24.9., WDR Fernsehen, 22.30 Uhr: "Menschen hautnah: Mehr als ein Bruder"
Seit vierzig Jahren sind die Brüder Sascha und Marcel ein Herz und eine Seele. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Marcel seit seiner Geburt schwer körperbehindert ist, weder sprechen noch laufen kann und seine Behinderung allen Familienmitgliedern einen großen Einsatz abverlangt. Nie hat Sascha seinen Bruder als Belastung wahrgenommen, nie hat er das Gefühl gehabt, in seinem Schatten zu stehen. Ausgerechnet am Geburtstag des Vaters stürzt Sascha in eine schwere psychische Krise, die ihn monatelang schachmatt setzt und seine Angehörigen ratlos zurücklässt. Nach intensiven therapeutischen Gesprächen wird klar, dass die Anforderungen durch die Behinderung seines Bruders nicht spurlos an ihm vorbei gegangen sind. Er fragt sich, wie es weitergehen wird, wenn die Eltern mal nicht mehr da sind. Die Dokumentation begleitet die Familie über mehrere Monate in ihrem Diskussionsprozess und zeigt, welche Stärke man entwickeln kann, wenn man sich wichtigen bislang unausgesprochenen und schmerzhaften Themen offen stellt. Der Film gibt einen Einblick in Grenzsituationen der Überforderung und zeigt gleichzeitig auch die besondere Nähe zwischen den beiden Brüdern.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
24.9., WDR Fernsehen, 23.15 Uhr: "Schnee von gestern"
Als sich die Geschwister Michla und Feiv'ke nach dem Krieg knapp am Bahnhof im polnischen Lodz verpassen, denkt jeder, er sei der einzige Überlebende der ehemals großen jüdischen Familie Schwarz aus Wilna. Beide machen einen Neuanfang und gründen eine eigene Familie: Michla in Israel, Feiv'ke in Deutschland unter dem Namen Peter Schwarz, ausgerechnet in dem Ort, in dem er im Arbeitslager war. Nach und nach verdichten sich die Hinweise, dass es irgendwo doch noch Überlebende der Familie gibt, und die Kinder und Enkel machen sich auf die Suche. Der Dokumentarfilm zeigt, welche Folgen das verpasste Treffen für die Geschichte einer ganzen Familie hat. Die Kinder leiden unter dem Schweigen ihrer Eltern, die Enkel sind auf der Suche nach ihrer Identität. Getrieben von den Geheimnissen der Familie machen sie sich unabhängig voneinander auf die Suche. Der Film hat das Prädikat "besonders wertvoll" bekommen. In der Begründung heißt es: "Durch die persönliche Herangehensweise bekommt der Zuschauer den Eindruck, bei der Suche nach den familiären Wurzeln und Geheimnissen direkt dabei zu sein. Doch ‚Schnee von gestern’ ist nicht nur ein Film über die Vergangenheit, sondern vor allem ein Porträt über die Familie heute und deren Auseinandersetzung mit dem, was war, dargestellt aus der Perspektive der dritten Generation nach dem Krieg."
25.9., Arte, 20.15 Uhr: "Sein letztes Rennen"
Elf Jahre lang hat Kilian Riedhof die Idee zu diesem Film mit sich herumgetragen. Für die Rolle des rennenden Rentners, der dem Tod davonläuft, wollte er unbedingt Dieter Hallervorden verpflichten; und der war zunächst schlicht noch zu jung. Mittlerweile hat er die richtige Statur und das perfekte Alter für den einstigen Marathon-Star Paul Averhoff, der mit seiner Frau Margot in ein Altenheim zieht und sich fortan fühlt wie ein Zug auf dem Abstellgleis. Mit der Teilnahme am Berliner Marathon will er getreu seinem Motto "Weiter, immer weiter!" beweisen, dass er noch nicht zum alten Eisen gehört. Wie alle Geschichten dieser Art übt auch "Sein letztes Rennen" profunde Kritik an Pflegenotstand und Altenbetreuung. Trotzdem wird Riedhofs Werk weder von der Botschaft noch von übertriebener Sentimentalität erdrückt. Der Film hat durchaus komische Züge, die allerdings meist aus der Situation heraus entstehen. Hallervorden ist keineswegs als Komödiant besetzt worden, im Gegenteil; ähnlich wie schon zuletzt in "Chuzpe" fehlt von dem aus diversen Klamotten bekannten "Didi" zum Glück jede Spur.