dpa/Christian Charisius
Eine Luftaufnahme der Elbe vor Hamburg im Licht der untergehenden Sonne. Die niedersächsische Landesregierung hat dem Projekt Elbvertiefung zugestimmt. Doch Umweltschützer und Sparer üben Kritik.
Umwelt gegen Umwelt: Die Elbvertiefung in Niedersachsen
Die Umweltbilanz von Schiffen ist weit besser als die von Flugzeugen, Lkws oder Bahnen. Trotzdem ist die Elbvertiefung ökologisch wie auch ökonomisch umstritten. Ende April soll der Startschuss fallen. Danach wird mit weiteren Klagen von Umweltverbänden gerechnet.

Seit einem Jahrzehnt bewegt die "Fahrrinnenanpassung" die Bürger in Norddeutschland wie kein zweites Verkehrsprojekt. Der Hamburger Senat unter dem bundesweiten SPD-Hoffnungsträger Olaf Scholz will, mit den Stimmen der CDU, auf mehr als 100 Kilometern Länge die bis zu 400 Meter breite Fahrrinne für die großen Containerriesen von 15 auf 17 Meter vertiefen lassen.

Der Plan "Weser" Neben der Elbe soll auch die Weser ausgebaggert werden. Für diese Fahrrinnenanpassung ist der Planfeststellungsbeschluss der zuständigen Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) bereits vor Monaten ergangen. Sieben Klagen von Landwirten, Werften und Umweltschützern liegen nun beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Im Mai finden eine Ortsbesichtigung durch die Leipziger Richter und eine erste nichtöffentliche Verhandlung statt. Sollte es zu keiner Einigung kommen, wird eine Entscheidung bis Ende des Jahres erwartet. An der Elbe könnte die WSV den Planfeststellungsbeschluss mit einem Sofortvollzug verbinden. Gegen diesen müssten Umweltverbände oder Anwohner dann in einem Eilverfahren vor dem Leipziger Gericht vorgehen, um die Bagger noch zu stoppen.

Nun ist die Hafenwirtschaft wieder einmal "zuversichtlich", so Hafen-Sprecher Bengt van Beuningen, dass die Elbvertiefung bald kommt. Nach der Zustimmung aus EU, Bund und Schleswig-Holstein sind mit dem "Ja" aus Niedersachsen alle Voraussetzungen beisammen. Noch in diesem Monat könnte der Planfeststellungsbeschluss erfolgen und mit dem Baggern begonnen werden.

Norbert Hackbusch, der für Die Linke in der Hamburger Bürgerschaft sitzt, kritisiert die Elbvertiefung "aus ökologischen Gründen". Schon vor zwei Jahren taten dies auch sieben evangelische Landeskirchen in einem Positionspapier, und der Protest in den Gemeinden entlang der Unterelbe verlief lange lautstark. Die Sorgen richten sich auf Fauna und Flora, auf Deichsicherheit und versalzenes Elbwasser, mit dem die Obstbauern ihre Plantagen im Winter berieseln, um die Apfelbäume vor Frost zu schützen.

Doch so recht will der Protestfunken in diesen Tagen nicht mehr zünden. Trotzdem wird erwartet, dass Umweltverbände, deren täglich Brot jahrelang die Elbvertiefung war, vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig klagen werden. Zunächst müsse man aber den 2 500 Seiten starken Beschluss "sorgfältig prüfen", sagt Manfred Braasch vom BUND. Seit den ersten Plänen 2002 wurde das europäische und deutsche Umweltrecht erheblich verschärft. Mit entsprechenden Folgen für alle Akteure.

Alter Trick der Wasserbauer: In der Mitte tief, am Rand flach

Umweltfragen spielen im Bewilligungsverfahren der Behörden von Bund und Hamburg "eine große Rolle", versicherte Jörg Osterwald von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV). Osterwald leitet das maßgebliche "Projektbüro Fahrrinnenanpassung", in dem alle Fäden zusammenlaufen. Das Planfeststellungsrecht schreibt eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung vor, in der sämtliche Einflussgrößen haarfein von unabhängigen Experten begutachtet werden und auch ein Worst-Case-Szenario ausgemalt wird. Vorab werden vor allem die Auswirkungen auf Wasserstand und Strömung geprüft, für Osterwald die "entscheidenden Parameter" für alle Auswirkungen auf Natur und Umwelt im Unterelberaum. Bei der vorherigen Elbvertiefung sei es gelungen, die Auswirkungen auf Flora und Fauna, auf die Deichsicherheit und die Versalzung des Flusswassers "in kaum merklichen Grenzen zu halten".

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Kaum merklich soll auch die geplante Fahrrinnenanpassung verlaufen. Dafür greifen die Planer um Osterwald auf einen alten Trick zurück: "Wir Wasserbauer bemühen uns, die Querschnittsvergrößerung in der tiefen Rinne - dort wo die Schiffe fahren - in flacheren Bereichen - dort wo es für die Schifffahrt uninteressant ist - auszugleichen." In diesem "integrierten Strombaukonzept" steckten 150 Jahre voller handfester Erfahrungen mit der Elbe. Dazu wird das Baggergut aus der Fahrrinne an ausgewählten Plätzen im Fluss dauerhaft abgelagert. "Durch diesen Querschnittsausgleich minimieren wir die Folgen für Wasserstand, Strömung und allem daraus Folgendem."

Jedes Schiff soll 1000 Container mehr mitnehmen

Doch ist das Misstrauen gegen Expertenwissen unter den Kritikern tief wie das Meer. Dabei gibt es durchaus beeindruckende Fakten, wie sie das Projektbüro auf seiner Internetseite dokumentiert, die den Öko-Optimismus der Macher stützen. Nach der Elbvertiefung 1999 wurde ein umfassendes Programm gestartet, um Veränderungen zu erfassen. Osterwald: "Unsere Ausbauprognosen wurden sogar unterschritten, es hat beispielsweise keine Erhöhung des Hochwasserstandes gegeben." Für die kommende Elbvertiefung wird nach diesen positiven Erfahrungen wiederum nur "eine minimale Wasserstandserhöhung und eine minimale Strömungsveränderung erwartet".

Ökonomisch bleibt das Projekt umstritten. Der grüne GAL-Fraktionschef Jens Kerstan befürchtet eine "Kostenexplosion" und fordert eine neue Kosten-Nutzen-Rechnung. Eine halbe Milliarde Euro dürfte das Projekt verschlingen. Paradoxerweise fahren bereits die über 300 Meter langen XXL-Containerschiffe Hamburg an. Bei Hochwasser. Doch zurück können sie die letzte Station vor Asien nur dreiviertelvoll verlassen. Nach der Elbvertiefung soll jedes Schiff etwa 1 000 Container mehr an Bord nehmen. Die wohl übergroße Mehrheit der Hamburger hofft, dass auch nach der neunten Elbvertiefung noch mehr Fracht durchs Tor zur Welt transportiert werde. Fachleute teilen überwiegend diese Erwartung.

Kritiker weisen dagegen auf den neuen Tiefseewasserhafen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven hin, der XXL-Riesen ab dem Sommer abfertigen soll. Doch ist er zu klein ausgelegt, um Hamburg auf absehbare Zeit Konkurrenz zu machen, und es fehlt an Infrastruktur und Verarbeitungsbetriebe in Hafennähe. Von dort soll vor allem das Ruhrgebiet versorgt werden - per LKW. Hamburg versorgt dagegen Ostseeraum und Mitteleuropa per Schiff und Bahn. Am maritimen Industriestandort Hamburg hängen 150.000 Jobs, und der Hafen ist nach Volkswagen der zweitgrößte Arbeitgeber für Niedersachsen. Die Zustimmung aus Hannover galt daher intern immer als sicher.