TV-Tipp: "Die Insassen" (ZDF)
17.9., ZDF, 20.15 Uhr: "Die Insassen"
Wenn eine Filmfigur eine psychiatrische Klinik besucht, gerät sie dort gern erst mal an den Falschen: weil sich ein Patient im weißen Kittel täuschend echt als Arzt ausgibt. Die ZDF-Komödie "Die Insassen" hat aus dem Gag einen ganzen Film gemacht: Hier übernimmt der Patient gleich die gesamte Klinik.

Das Drehbuch von Martin Rauhaus basiert auf dem gleichnamigen Buch von Katharina Münk und hält sich eng an die Vorlage. Die wichtigste Änderung betrifft das Vorzeichen: Der Roman ist eine Satire, der Film ist als Tragikomödie konzipiert. Trotzdem ist die Geschichte nach wie vor schon schön schräg. Außerdem ist Rauhaus ein Meister des pointierten Dialogs. Es wird zwar unentwegt geredet, was die Adaption mitunter wie ein verfilmtes Bühnenstück wirken lässt, aber das stört überhaupt nicht. Umso ungewöhnlicher ist die überwiegend stumme Rolle für Maximilian Brückner, der nicht den Fehler begeht, den Mangel an Dialog durch mimischen Eifer auszugleichen, und sich auf ein angedeutetes Lächeln oder ein kaum merkliches Kopfnicken beschränkt.

Ensemble ist gut zusammengestellt

Das Ensemble ist ohnehin gut zusammengestellt. Das muss es auch, denn sonst würde die Geschichte wohl nicht funktionieren: Der stets nur auf seine Arbeit fixierte Wilhelm Löhring (Wolfgang Stumph), Vorstandsvorsitzender eines großen Finanzkonzerns, ist psychisch schwer erkrankt, nachdem ihn seine Frau (Leslie Malton) verlassen hat, und wird in eine Klinik für betuchte Privatpatienten eingeliefert. Er selbst ist allerdings überzeugt, dass er das Unternehmen sanieren soll, und tritt daher nicht als Patient, sondern als Retter auf. Umgehend wird ihm klar, dass er auf eine Goldgrube gestoßen ist: Angesichts der diversen Krisen wird die Zahl der Burnouts unter den Wirtschaftsführern sprunghaft zunehmen. Einrichtungen, die auf die Behandlung ausgebrannter Topmanager spezialisiert wären, hätten eine großartige Zukunft. Kurzerhand gründet Löhring gemeinsam mit dem autistischen Finanzgenie Keith Winter (Brückner) und dem zwangsneurotischen Personalchef Hubert Wienkamp (Thomas Kügel) die "Soul Managament Group". Als es ihm gelingt, eine unter Depressionen leidende Chefsekretärin (Jule Ronstedt) ins Vorzimmer des Klinikchefs (Ludger Pistorius) einzuschleusen, steht der Übernahme des Hauses nichts mehr im Wege. Zum Börsengang fehlt bloß noch das nötige Kapital, aber auch das ist kein Problem: Ein alter Golfpartner (Walter Kreye) ist Chef einer Privatbank und derart beeindruckt von Winters Businessplan, dass er die berechtigten Warnungen seines Analysten (Jan Henrik Stahlberg) in den Wind schlägt. Als der Mann nicht locker lässt und die Klinik auf eigene Faust unter die Lupe nehmen will, wird er kurzerhand zum Patienten mit Wahnvorstellungen deklariert.

Regisseurin Franziska Meyer Price (zuletzt "Männerhort"), die mit Stumph bereits bei "Stankowskis Millinoen" (2011) zusammengearbeitet hat, weiß dank ihrer großen Erfahrung mit komischen Serien wie "Doc meets Dorf", "Doctor’s Diary", "Dr. Molly & Karl" (auch von Rauhaus) oder "Berlin, Berlin" ganz genau, wann sie das Tempo anziehen und wieder drosseln muss. Davon abgesehen verzichtet sie fast völlig auf typische Komödienzutaten; es gibt zum Beispiel keinerlei Gags auf Kosten der Insassen. Deshalb ist es umso wirkungsvoller, wenn der bis dahin stumme Winter eine komplizierte Finanzanalyse aus dem Ärmel schüttelt oder Price die Sekretärin in Supertempo agieren lässt. Zunächst genügt es ohnehin, die Bühnenmaxime "Den König spielen immer die anderen" zu konterkarieren: Löhring zieht zwar als König in die Klinik ein, aber das Personal verweigert ihm die Gefolgschaft. Das zeigt sich nicht nur im unbotmäßigen Verhalten der Pfleger, sondern vor allem in den Sitzungen mit der Psychologin (Clelia Sarto). Da sie natürlich nicht ahnt, dass Löhring seine Psychopharmaka nicht nimmt, betrachtet sie seinen Einsatz für die anderen Patienten als Ergebnis ihrer Therapie, was den Gesprächen eine amüsante Mehrdeutigkeit verleiht.

Es ist ohnehin beeindruckend, wie glaubwürdig Geschichte gut Rauhaus und Price gelungen ist. Auch in dieser Hinsicht erweist es sich als kluge Entscheidung, "Die Insassen" nicht als Komödie zu inszenieren: Die Handlung ist völlig absurd und dadurch komisch genug. Den Rest besorgt der Kontrast zwischen Hochfinanz und Psychiatrie. Wie diese beiden unvereinbaren und unwirklich anmutenden Welten glaubwürdig zu einer neuen Realität zu verschmelzen, ist beeindruckend, ausgesprochen vergnüglich und großartig gespielt, wobei Wolfgang Stumph das Kunststück schafft, dass man Löhring sympathisch findet, obwohl er zwar Menschenfänger und Motivator, aber auch ein begnadeter Manipulator ist.