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Flüchtlinge, die über Ungarn nach Deutschland gekommen sind, am vergangenen Samstag am Hauptbahnhof in München.
Bundesregierung verteidigt Entscheidung über Ungarn-Flüchtlinge
Merkel: Keine Obergrenze für Grundrecht auf Asyl
Bislang erhielt Kanzlerin Merkel für ihre Entscheidung zu den Ungarn-Flüchtlingen viel Zustimmung. In der Schwester-Partei CSU gibt es aber Unmut. Merkels ehemaliger Minister Friedrich wirft ihr «eine beispiellose politische Fehlleistung» vor.

Berlin (epd)Die Entscheidung der Bundesregierung, Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland zu lassen, sorgt weiter für Diskussionen. Am Freitag griff die CSU Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut dafür an. Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CDU) nannte den Schritt "eine beispiellose politische Fehlleistung". Die Regierung verteidigte die Entscheidung am Freitag mit Verweis auf die Notlage der Asylsuchenden in Ungarn. Die Kanzlerin stellte zudem in einem Interview mit der "Rheinischen Post" (Freitagsausgabe) klar: "Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte kennt keine Obergrenze."

Friedrich sorgt sich vor dem Hintergrund der Ungarn-Entscheidung offenbar um die Sicherheit. Der "Passauer Neuen Presse" (Freitagausgabe) sagte er, es sei "völlig unverantwortlich, dass jetzt Zigtausende unkontrolliert und unregistriert ins Land strömen und man nur unzuverlässig genau abschätzen kann, wie viele davon Isis-Kämpfer oder islamistische Schläfer sind". Bereits am vergangenen Wochenende, als die Entscheidung zur Durchreise der Flüchtlinge fiel und sich die Koalition zu einem Sondertreffen in Berlin traf, kritisierte die CSU den Schritt.

"Die Länder übergangen"

Das Bundesinnenministerium warnte am Freitag vor Panikmache. Es sei nicht hilfreich, einen Generalverdacht zu äußern gegen Menschen, die aus Angst und Furcht ihre Heimat verlassen hätten, sagte ein Sprecher des Ministeriums in Berlin. Er betonte, die Sicherheitsbehörden hätten die Situation sorgfältig im Auge. Es gebe "immer mal wieder" Hinweise auf mutmaßliche Terroraktivitäten. Bestätigt hat sich davon nach seinen Angaben aber noch keiner.

Unmut über den Umgang mit den Ungarn-Flüchtlingen wurde am Freitag aber auch von der SPD aus den Ländern laut. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte dem "Tagesspiegel" (Samstagsausgabe), Merkel habe die Länder dabei übergangen. Trotzdem unterstützte sie den Schritt: "Es war richtig, dass die Kanzlerin aus humanitären Gründen die Grenzen geöffnet hat."

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, warf Friedrich Stimmungsmache vor. "Humanitäres Handeln wird als Sicherheitsrisiko dargestellt, die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen als Bedrohung unserer Gesellschaft", sagte sie in Richtung CSU.

"Europa vor einem Kraftakt"

Derweil kommen am Münchener Hauptbahnhof weiter viele Flüchtlinge an. Allein am Donnerstag seien mehr als 7.000 Asylsuchende in der bayerischen Landeshauptstadt eingetroffen, sagte ein Sprecher der Bundespolizei dem epd. Eine Prognose für den Freitag wollte er nicht abgeben. Seit vergangenem Samstag sind insgesamt über 39.000 Flüchtlinge am Hauptbahnhof angekommen.

In den nächsten Monaten stehe Europa vor einem gewaltigen Kraftakt, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. Vor dem Winter müssten Hilfe und Spenden mobilisiert werden, um Flüchtlingen überall in Europa ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Bei einem zweitägigen Besuch will sich der bayerische Landesbischof selbst ein Bild von der Lage in Ungarn und Serbien machen.

In Ungarn wird Bedford-Strohm am Sonntag die Flüchtlingslager bei Bicske und Röszke besuchen, wie die EKD am Freitag in Hannover mitteilte. Am Montag reist er in die serbische Hauptstadt Belgrad und besucht ein Erstaufnahmelager an der mazedonisch-serbischen Grenze bei Presevo. Begleitet wird der EKD-Ratsvorsitzende von Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe und von "Brot für die Welt".