Venedig (epd)Es sei das letzte Mal, dass man eine Geschichte wie diese in der Gegenwart erzählen könne. Mit diesen Worten stellte der kanadische Regisseur Atom Egoyan auf dem Filmfestival von Venedig nun sein neues Werk "Remember" vor, eine deutsch-kanadische Koproduktion um einen Holocaust-Überlebenden auf Rachefeldzug. In zehn Jahren, so Egoyan in Anspielung auf das fortgeschrittene Alter seiner Hauptfiguren, muss man ein solches Drama als Geschichts- beziehungsweise Kostümfilm ausstatten.
Rachethriller, Roadmovie und Alzheimer-Drama
In "Remember" spielt der 85-jährige Christopher Plummer den nach dem Krieg aus Deutschland in die USA emigrierten Zev Guttmann, der wegen Anzeichen von Demenz von seine Familie in ein jüdisches Pflegeheim gebracht wurde. Zev kämpft mit Gedächtnislücken. Dass seine Frau Ruth soeben erst verstorben ist, müssen ihm die Pflegekräfte jeden Morgen aufs Neue erklären.
Kaum ist die Beerdigung vorbei, da überreicht ihm sein Heimgenosse Max - gespielt von der 87-jährigen TV- und Kinolegende Martin Landau - einen langen Brief. Darin gibt Max, auch er ein Auschwitz-Überlebender, genaue Anweisungen, wie Zev den für den Tod ihrer Familien verantwortlichen Nazi-Blockführer ausfindig machen und töten soll. Dieser sei unter dem falschen Namen Rudi Kurlander einst in die USA geflohen.
Da Max in langen Jahren vier in Frage kommenden alten Männern auf die Spur kam, selbst aber im Rollstuhl sitzt, schickt er Zev los. Es beginnt eine gewagte Mischung aus Rachethriller, Roadmovie und Alzheimer-Drama.
Enttäuschender Wettbewerb
Das Publikum zeigte sich in Venedig zwar besonders beeindruckt von Christopher Plummers fesselnd präziser Darstellung eines Menschen, der mit der eigenen geistigen Hinfälligkeit kämpft. Doch mit seiner effektheischerischen Rachehandlung, die am Ende eine Plotwendung zuviel macht und ihre eigene Sinnhaftigkeit bedroht, gelingt "Remember" kein wirklich überzeugender Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung.
Als einer der letzten Filme des Festivals steht "Remember" damit leider auch beispielhaft für den enttäuschenden diesjährigen Wettbewerb. Es gab darin zu viele Filme, die allein mit gewichtiger Thematik Aufmerksamkeit auf sich zogen, ohne filmisch überzeugen zu können. Am besten gelang dies noch Amos Gitai in seinem Dokudrama über das Attentat auf Yitzhak Rabin, "Rabin. The Last Day", der darum auch als heißer Kandidat auf den an diesem Samstagabend zu verleihenden Goldenen Löwen gilt.