Die Welle der Hilfsbereitschaft, mit der die Menschen in den Zügen aus Ungarn an den Bahnhöfen begrüßt wurden, hat auch die deutsche Politik erreicht.
Sechs Milliarden Euro, 150.000 Plätze, die auch im Winter bewohnbar sind, 3.000 Bundespolizisten zusätzlich, mehr Personal in den Jobcentern, Erlaubnis der Leiharbeit nach drei Monaten: Das Paket, das die Regierungskoalition in einer Wochenendsitzung zusammengeschnürt hat, um Flüchtlingen und Asylbewerbern zu helfen, kann sich sehen lassen.
Aber auch die andere Seite haben die Koalitionäre mitverhandelt: Kosovo, Albanien und Montenegro sollen zusätzliche sichere Herkunftsländer werden, Abschiebungen werden nur noch maximal drei statt sechs Monate ausgesetzt, und Bargeld soll es in den Erstaufnahmeeinrichtungen keins mehr geben.
Gerade der letzte Punkt - Sachleistungen statt Bargeld - ist grundsätzlich umstritten. Denn damit entsteht eine "Armut zweiter Klasse" gegenüber den gesetzlichen Sozialleistungen: Wer kein Deutscher ist, bekommt ohnehin schon weniger Hilfe und darf dann auch noch seinen Alltag nicht selbst gestalten. Denn wer nicht einmal Geld für eine Busfahrkarte hat, ist in unserer Konsumgesellschaft aufgeschmissen.
Trotzdem ist das Flüchtlingspaket ein gutes Signal. Denn die Aufnahme von vielen Menschen in sehr kurzer Zeit kostet Geld, Zeit und Überzeugungsarbeit. Dieser Herausforderung stellt sich die Regierungskoalition jetzt, nachdem sie gesehen hat, dass es nicht mehr anders geht.
Die drei nächsten Schritte
Das Verhandlungsergebnis vom Wochenende ist aber erst der Anfang. Drei Schritte müssen folgen: In der EU braucht es eine neue Einigung, wie Asylsuchende behandelt werden sollen. Das so genannte Dublin-Verfahren ist endgültig an seine Grenzen gekommen. Dafür hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schon einen Plan vorgelegt, den die EU-Innenminister am 14. September beraten werden - einen dauerhaften Verteilschlüssel für Flüchtlinge und Asylsuchende.
Der zweite Schritt muss ein besserer Schutz für Aufnahmeeinrichtungen und Flüchtlingsunterkünfte sein. Denn es brennen nicht mehr nur leere Häuser. In Rottenburg in Baden-Württemberg wurden in der Nacht zu Montag fünf Bewohner von Wohncontainern bei einem Brandanschlag verletzt. Hier müssen Bürger und Staat entschieden eingreifen, bevor es Tote gibt.
Der dritte Schritt muss wegführen von der Soforthilfe, hin zur dauerhaften Integration der Menschen, die in Deutschland und Europa bleiben wollen. Die Menschen alle wieder wegzuschicken, wenn der Krieg in Syrien oder die Verfolgung von Roma im Kosovo vorbei sind, ist utopisch. Sie alle auf einen Schlag in Lohn und Brot zu bringen, auch. Irgendwo dazwischen wird sich die neue deutsche Realität einfinden. Im Reformationsjahr 2017 ist Bundestagswahl - bis dahin werden wir viele, viele Ideen hören, wie das alles gehen kann. Ein Anfang ist gemacht.