Berlin (epd)Ein See in der Abenddämmerung: Im Licht der untergehenden Sonne spiegelt sich der dahinter aufsteigende Wald im Wasser. Dieses Bild von 1906, das an den Berliner Impressionisten Walter Leistikow erinnert, ist ein Frühwerk von Piet Mondrian (1872-1944). Später wird er sich zum Meister der abstrakten Malerei wandeln. Dem Werdegang des niederländischen Malers widmet der Martin-Gropius-Bau in Berlin ab Freitag eine Ausstellung.
Farbe wird Bildthema
1907 malt Mondrian die «Bäume am Gein: aufgehender Mond». Auch dieses Bild ist in der Ausstellung zu sehen. Die Bäume sind schemenhaft aufgereiht in einer Linie, dazwischen der Mond, der sein fahles Licht verbreitet. Der gesamte Hintergrund des Bildes ist rotgefärbt von der untergehenden Sonne, hier wird die Farbe zum Bildthema. Die Kohlezeichnung derselben Szene gleich daneben betont hingegen die linearen Strukturen des Motivs.
«Es war die Linie, die die Farbe befreite», beschreibt Kurator Hans Janssen, Mondrian-Experte vom Gemeentemuseum in Den Haag die Entwicklung des Künstlers. Vom Impressionismus niederländischer Prägung wandelte sich Mondrians Stil bis zur Abstraktion mit der Anordnung von Linien und Farbflächen.
Ein Traum geht in Erfüllung
Mit der Ausstellung erfüllt sich Direktor Gereon Sievernich einen Herzenswunsch: «Es ist ein Traum, Mondrian endlich mal in Berlin zeigen zu können.» Die letzte größere Schau zum Werk des Niederländers liegt fast 50 Jahre zurück: 1968, zeigte die Neue Nationalgalerie im Tiergarten anlässlich ihrer Eröffnung eine Ausstellung über den Maler. Direktor Werner Haftmann hatte damals auf die Parallelen im Werk von Mondrian und dem Architekten der Galerie, Mies van der Rohe, verwiesen. «Uns interessiert der Weg vom Figurativen und impressionistischen Maler zum König der Abstraktion», charakterisiert Sievernich das Thema der Ausstellung, die mit mehr als 50 Gemälde und Zeichnungen Mondrians Suche nach einem eigenen künstlerischen Weg nachzeichnet.
Piet Mondrian, 1872 in Amersfoort (Niederlande) geboren, studierte an der Rijksakademie in Amsterdam. Von Anbeginn faszinierte ihn der Impressionismus der Haager Schule. Seine Motive zu Beginn: Felder, Bauernhöfe, Windmühlen und vor allem Bäume und Flusslandschaften, die er mit Vorliebe im Dämmerlicht malt, um die Strukturen hervorzuheben. Zeichnung und Malerei benutzt er parallel.
Linien und Flächen in reinen Farben
Um 1905 beginnt Mondrian stärker zu experimentieren: In der Kohlezeichnung bringt er mit Linienführungen Bewegung und Energie in die Bilder, bei der Ölmalerei dominiert immer mehr die Farbe. Beindruckend ist das große Bild «Avond/Abend» von 1908: Heuschober auf einem Feld, über denen der Himmel in fein abgestuften Streifen von Gelb über Blau bis Rot leuchtet. Ab 1912 löst sich bei Mondrian das Motiv zunehmend in abstrakte Kompositionen auf, wie Blätter aus seinen Skizzenbüchern, aber auch Bilder wie «Paysage» oder «Tableau No. 4» zeigen. Beeinflusst vom Kubismus, den er in Paris kennenlernt, sind die Motive nur noch ein Geflecht von vertikalen, diagonalen und horizontalen Linien mit feinen Farbabstufungen.
Weitere Bilder verraten den Einfluss der Künstlergruppe «De Stijl», zu deren Mitbegründern er gehörte, bis er schließlich zu den abstrakten geometrischen Kompositionen aus Linien und Flächen in reinen Farben findet, seinen «Neoplastizismus», mit dem er perfekte Harmonie und Ausgewogenheit in der Kunst sucht.
Von den Nazis als "entartet" diffamiert
In Deutschland wird Mondrians Kunst nach 1933 als entartet diffamiert, zwei Werke sind auf der Ausstellung in München 1937 zu sehen und seither verschollen. Auch in den Niederlanden stößt sein Werk nicht nur auf Zustimmung. Der Maler emigriert 1938 nach London und 1940 nach New York, wo er weitere Erfolge feiert. Dort stirbt Mondrian 1944. Sein letztes Werk, «Victory Boogie Woogie», ein lebhaftes Bild aus Farbflächen und Linien, bleibt unvollendet. Von der Regierung der Niederlande angekauft hängt es jetzt im Museum in Den Haag, durfte aber nicht reisen.
Das letzte Bild der Ausstellung in Berlin ist eine Komposition von 1937: Streng angeordnete, eng geführte Linien auf weißem Grund, am rechten unteren Bildrand ein kleines blaues Farbfeld. Der Höhepunkt der Experimentierfreude Piet Mondrians - und zugleich ein Ruhepunkt.