Karlsruhe, Hannover (epd)Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss die Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahr 2012 zum kirchlichen Arbeitsrecht, den sogenannten «Dritten Weg», als unzulässig verworfen. (AZ: 2 BvR 2292/13) Die Kirche lud ver.di ein, ihre Angebote zur Sozialpartnerschaft anzunehmen.
Hintergrund des Rechtsstreits waren die Klagen von zwei evangelischen Landeskirchen und sieben diakonische Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Diese wollten ver.di untersagen lassen, in ihren Einrichtungen zu streiken. Dabei beriefen sich die Kirchen auf ihr Arbeitsrecht, nach dem Streiks und Aussperrung ausgeschlossen sind. Die Gewerkschaft berief sich dagegen auf im Grundgesetz geschützte Rechte.
Ver.di nicht in Grundrechten verletzt
Das Bundesarbeitsgericht hatte ver.di und der ebenfalls klagenden Ärztegewerkschaft Marburger Bund am 20. November 2012 im Urteilstenor recht gegeben (AZ: 1 AZR 179/11 und 1 AZR 611/11). Den Kirchen stehe zwar ein eigenes kirchliches Arbeitsrecht einschließlich eines Streikverbots zu, so die Erfurter Richter, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen: Die Gewerkschaften müssten bei der Lohnfindung mit eingebunden werden, andernfalls dürften sie zu Arbeitsniederlegungen aufrufen. Ver.di reichte dies nicht. Die Gewerkschaft sah in der Urteilsbegründung nach wie vor ihr Grundrecht auf Koalitionsfreiheit verletzt - das Recht, sich zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zusammenzuschließen. Ver.di zog wegen der Einschränkungen beim Streikrecht nach Karlsruhe.
Das Bundesverfassungsgericht entschied nun, dass ver.di weder gegenwärtig noch unmittelbar in seinen Grundrechten verletzt wird. Die Verfassungsbeschwerde sei als unzulässig zu verwerfen, erklärten die Karlsruher Richter. Das Bundesarbeitsgericht habe den Kirchen keinerlei konkrete Vorgaben gemacht, wie sie die Gewerkschaften organisatorisch bei der praktischen Gestaltung des «Dritten Weges» einbinden sollen.
Gestaltung der Arbeitsbedingungen ohne Arbeitskampf
Gewerkschaften müssten eventuell auftretende Streitigkeiten mit den Kirchen zunächst von den Arbeitsgerichten klären lassen, stellte der Zweite Senat zudem klar. Erst dann könne das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Ver.dis Argument, dass sie bei künftigen Streiks oder Streikaufrufen dem Risiko ausgesetzt seien, von kirchlichen Einrichtungen auf Unterlassung oder Schadenersatz in Anspruch genommen zu werden, sei ebenfalls kein ausreichender Grund, die Verfassungsbeschwerde zuzulassen.
Über die ebenfalls von der Ärztegewerkschaft Marburger Bund eingelegte Verfassungsbeschwerde wird laut Bundesverfassungsgericht noch in diesem Jahr eine Entscheidung «angestrebt».
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) lud nach der Ablehnung der Verfassungsbeschwerde die Gewerkschaften ein, die Angebote von Kirche und Diakonie zur Sozialpartnerschaft anzunehmen. Die Erfahrungen mit dem «Dritten Weg» und den kirchlichen Tarifverträgen hätten gezeigt, dass auch ohne Arbeitskampf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen in Kirche und Diakonie gemeinsam mit den Sozialpartnern gut gelinge, sagte der Präsident des EKD-Kirchenamtes, Hans Ulrich Anke, am Mittwoch in Hannover. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie erklärte in Berlin, mehr als 40 Jahre Erfahrung mit dem «Dritten Weg» zeigten, dass auch ohne Arbeitskampfmaßnahmen überdurchschnittlich gute Tarifwerke gemeinschaftlich mit der Mitarbeiterschaft entwickelt werden könnten.