Alexandre zeigt ein spätwinterliches Gotland, das so gar nicht wie ein Ferienparadies wirkt; dafür sind die Bilder einer Pferdeherde im Nebel gleich zu Beginn umso stimmungsvoller. Die eigentliche Geschichte beginnt eher beiläufig und mysteriös: Der Besitzer der Herde erkennt eine Frau, die weist ihn zurück, die Tochter der Frau verrät ihre Adresse, der Mann kommt abends zu Besuch und wird ein zweites Mal abgewiesen; kurz drauf sieht man, wie das circa zwölf Jahre alte Kind den leblosen Körper seiner Mutter die Klippen hinunterstürzt.
Das Buch zu "Das Mädchen und der Tod" stammt von Henriette Piper, es ist bereits ihr achtes für die bislang 18 Episoden umfassende Reihe; sie hat auch die ersten Bücher geschrieben, und abgesehen vom zuständigen ZDF-Redakteur Wolfgang Feindt kennt zumindest die Fernsehfiguren der ursprünglich auf Romanen von Mari Jungstedt basierenden Reihe vermutlich niemand so gut wie sie. Vielleicht spielt das Stammpersonal diesmal deshalb eine etwas größere Rolle als zuletzt. Im Gegensatz zu früheren Filmen, in denen das Privatleben von Robert Anders (Walter Sittler) eher pro forma eingebaut wurde und Freundin Emma (Frida Hallgren) im Grunde bloß dekorative Stichwortgeberin war, dient diese Ebene diesmal als Reflektion des Handlungskerns: Zentrales Motiv des Films sind die Beziehungen zwischen Kindern und Eltern. Fippa (Hanna Westerberg), die Tochter der Toten, ist angeblich das Produkt einer Vergewaltigung. Aber Tobias (Johan Halström), der Pferdebesitzer und vermeintliche Vergewaltiger, hat jahrelang nach Mutter und Kind gesucht. Mittlerweile ist er verheiratet, und seine Frau Lena (Alexandra Rapaport) möchte unbedingt ein Baby adoptieren. Die Geburt dieses Kindes ist noch Teil des Prologs; es wird seiner Mutter gar nicht erst in den Arm gelegt. Und dann gibt es noch ein allzu sehr dem Alkohol ergebenes Elternpaar, dem das Jugendamt die Kinder weggenommen hat. Als die Amtsleiterin später am Fuß der selben Klippe gefunden wird wie die erste Tote, steht die Polizei endgültig vor einem Rätsel.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Interessanteste Figur ist ohnehin die von Hanna Westerberg bemerkenswert markant verkörperte junge Titelheldin, die sich in einem Freizeitpark versteckt; ihr knallroter Mantel bildet einen reizvollen Kontrast zur grauen Umgebung. Da der Film zunächst offen lässt, ob Fippa etwas mit dem Tod ihrer Mutter zu tun hat, ist der Gegensatz zwischen der düsteren Optik und der scheinbaren Ausgelassenheit, mit der das Mädchen durch die "Villa Kunterbunt" tanzt, umso frappierender. Nicht nur in dieser Szene hat die Musik von Wolfram de Marco großen Anteil an der ganz speziellen Atmosphäre dieses Films.