Herr Krogull, sind sie gerade glücklich?
Peter Krogull: Gute Frage. Ich bin gerade ziemlich glücklich. Ich fühle mich in meiner Gemeinde pudelwohl. Allerdings ist wegen des Fernsehgottesdienstes gerade auch ziemlich viel zu tun. Ich freue mich sehr auf die Ausstrahlung.
Können Sie auf Anhieb fünf Dinge nennen, die Sie glücklich machen? Wobei "fünf" eine ganz willkürlich gewählte Zahl ist.
Peter Krogull: Wenn ich mir sonntags nach einem schönen Gottesdienst die Laufschuhe anziehe, wenn in der 113. Minute das entscheidende Tor fällt, wenn ich Zeit mit meiner Familie verbringen kann... Auch Musik macht mich sehr glücklich – vor allem Pop, Soul und Jazz. Und dann können auch Dinge, die in die Tiefe des Lebens berühren, erfüllen. Das können auch sehr traurigen Angelegenheiten sein. Wenn ich jemanden in Not Geborgenheit geben kann. So etwas macht auch glücklich. Es ist dann natürlich kein Glück im Sinne einer unbeschwerten "happiness". Waren das jetzt schon fünf Punkte? (lacht)
"Für die Dänen ist das Glas eher halb voll als halb leer."
Kann man denn Glück überhaupt an einzelnen Dingen festmachen? Also immer daran, dass man etwas Bestimmtes hat, erreicht oder erfährt?
Peter Krogull: Glück hat ja immer mit dem ganz persönlichen Erleben zu tun und deswegen lassen sich da nur schwer allgemeine Aussagen treffen. Bei den Studien, die das Glücksgefühl einzelner Länder vergleichen, geht es ja letztlich um die Zufriedenheit der Menschen. Und da lässt sich schon sagen: Für die Dänen ist das Glas eher halb voll als halb leer. Grundsätzlich ist man in Dänemark wohl optimistischer.
Sie haben die Glücksstudien angesprochen. Laut denen gehört Dänemark zu den glücklichsten Ländern der Welt. Oft landet es sogar auf dem ersten Platz. Sie leben seit drei Jahren in Dänemark. Warum sind die Dänen denn so glücklich?
Peter Krogull: Familien, Kinder und die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben haben hier einfach einen höheren Stellenwert als etwa in Deutschland. Auch hier arbeiten meist beide Partner und auch hier kann das für Familien manchmal sehr anstrengend sein. Aber wenn die Kinder um 17 Uhr vom Kindergarten abgeholt werden müssen, dann ist das Geschäftsmeeting einfach um 16.30 Uhr fertig. Das versteht hier jeder, das ist gesellschaftlich einfach akzeptiert.
Glück ist also vor allem eine Systemfrage?
Peter Krogull: Ich kann ja auch nur interpretieren. Ich denke aber, dass das ein wichtiger Punkt ist, ja. Dänemark war ja früher viel größer, eine richtige Kolonialmacht. Dann hat das Land viel verloren. Da entstand sehr früh die Formel: Was wir nach außen hin verloren haben, müssen wir nach innen hin gewinnen. Man hat dann hier auf Bildung, Chancengleichheit und Teilhabe gesetzt. Und das ist weitestgehend gelungen.
Kann Deutschland davon lernen?
Peter Krogull: Na ja, das lässt sich natürlich auch alles in Dänemark leichter realisieren. Das ist eine mit sechs Millionen Einwohnern recht kleine, ziemlich homogene Gesellschaft. Das kann man nicht einfach so nach Deutschland übertragen. Im Übrigen ist die Säkularisierung hier stärker durchgeschlagen als in Deutschland. Ein Religionssoziologe hat in einer Untersuchung beschrieben, dass die Dänen nicht so hungrig nach einem jenseitigen Glück wären. Ihr Hunger sei durch das diesseitige Glück bereits gestillt. Die sind einfach auf dieser Welt schon glücklich. Das Glück im Himmel ist hier einfach nicht so ein Thema.
Vielleicht müssten die Deutschen auch säkularer werden – für ihr eigenes Glück!
Peter Krogull: In Deutschland ist man ja bei allem immer superkritisch. Das bekommt man, glaube ich, nicht einfach so weg.
Was sagt die Bibel eigentlich über Glück?
Peter Krogull: Glück im Sinne von "happiness" ist sicher nicht die Grundfrage der Bibel. Sie fragt eher nach einem gelingenden Leben, nach Gerechtigkeit, nach Frieden. Das meint viel mehr als so eine enge Glücksdefinition. Gleichzeitig ist das Glück, das wir hier erfahren können, nur ein Vorgeschmack auf das Reich Gottes, das kann man getrost so deuten. In der Bibel erzählen die Propheten davon. Zum Beispiel Jesaja, der von der Gemeinsamkeit von Mensch und Tier spricht. Oder Johannes, der zum Symbol der neuen Stadt greift, in der kein Leid, kein Schmerz und kein Tot mehr sein wird.
"Glück im Sinne von "happiness" ist sicher nicht die Grundfrage der Bibel."
Aber warum sollte man denn ein Glücksversprechen überhaupt ins Jenseits verlegen?
Peter Krogull: Das Glück im Himmelreich können wir nicht genau beschreiben, sondern immer nur in Bildern denken. Sie sollten uns als Utopie dienen, die wir vielleicht nicht erreichen können, aber der wir uns zumindest annähern können. Wenn wir jetzt auf die Flüchtlinge blicken, dann können uns diese Bilder daran erinnern, dass es nicht nur um das Glück eines Landes oder eines Kontinents geht, sondern um das Glück aller Menschen. Und das schließt die Flüchtlinge mit ein.
Hatte denn Jesus ein Glücksrezept?
Peter Krogull: Jesus wurde wohl nicht ohne Grund vorgeworfen, er sei ein Fresser und Weinsäufer. Er hat sich tatsächlich mit den Menschen hingesetzt, mit ihnen geredet, getrunken und gegessen. Er hat Gemeinschaft gesucht, auch und vor allem über soziale Grenzen hinweg. Und das das hat symbolische Qualität. Ob er allerdings damit selbst glücklich war, weiß ich nicht. Er hat ja in vielerlei Hinsicht ein sehr unglückliches Leben geführt.
"Hygge meint ein Zusammensein, ein Miteinander reden, essen, trinken, bei dem sich keiner unwohl fühlen und auch niemand ausgeschlossen werden darf."
Zusammen trinken und essen, miteinander reden, eine Gemeinschaft ohne Grenzen – ist das ein Weg zum Glück für alle?
Peter Krogull: Zumindest führt uns das nach Dänemark zurück. Für die Dänen ist der Begriff "Hygge" sehr wichtig. Hygge meint die besondere Form der dänischen Gemütlichkeit. Im Gegensatz zur deutschen Gemütlichkeit, die ja oft alleine funktioniert, zum Beispiel mit einem Buch, ist Hygge überhaupt nicht denkbar ohne andere Menschen. Hygge meint ein Zusammensein, ein Miteinander reden, essen, trinken, bei dem sich keiner unwohl fühlen und auch niemand ausgeschlossen werden darf.
Das klingt aber jetzt schon nach einem Ideal…
Peter Krogull: Ich gebe Ihnen ein weiteres Beispiel: Mein Sohn hatte gerade Geburtstag. In Deutschland ist es ja üblich, dass Eltern die Zahl der eingeladenen Kinder begrenzen. Hier in Dänemark dagegen habe ich nur zwei Möglichkeiten: Entweder lade ich alle Jungs aus seiner Klasse ein oder die ganze Klasse. Das heißt jeder gehört dazu: auch die Außenseiter und die, die man vielleicht gerade nicht so mag.