"Es ist uns wichtig, dass ein Kind mit dabei ist," sagt Kai Reiter. Er, seine Frau, seine Mutter und der kleine Sohn Florian stehen in einer leeren 2-Zimmerwohnung. Die Berliner Wohnung in der Nähe vom Ostkreuz ist gerade frei geworden und Kai Reiter möchte sie an Flüchtlinge vermieten: "Am besten an eine alleinstehende Frau mit Kind." Dafür reiche der Wohnraum optimal und die Schule sei direkt um die Ecke.
Reiter sagt, wenn er sich als berufstätiger Schornsteinfegermeister eine neue Wohnung suchen würde, sei das absolut kein Problem. Er wolle nun eine Wohnung an Flüchtlinge vermieten, um so Menschen zu unterstützen, die es gerade nicht so leicht haben im Leben – die eben nicht so einfach eine Wohnung finden können. Tatsächlich sind allein beim Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) in Berlin mehr als 3.000 suchende Flüchtlinge registriert.
Julia Wülfrath ist beim EJF für den Bereich Privatwohnungsvermittlung an Flüchtlinge zuständig. Mit ihren zwei Kollegen zusammen haben sie dieses Jahr bereits circa 90 Vermittlungen bewerkstelligt. Und auch, wenn das Team gerade viel zu tun hat, sagt Julia Wülfrath, dass weitere interessierte Vermieter in Berlin sich gerne melden können.
Auch Kai Reiter hatte beim EJF angerufen. Heute ist der Besichtigungstermin. Normalerweise kommen zu jeden Termin immer drei Parteien, sodass der Mieter zwischen diesen auswählen kann, wer einziehen soll. Tatsächlich kommt zur Besichtigung heute aber lediglich eine Mutter mit ihrer 10-Jährigen Tochter. Sie sind aus Eritrea und sprechen tigrinisch. Deutsch würden sie gerade lernen, sagt ein Freund der beiden, der zu dem Termin mitgekommen ist, um zu übersetzen. Er ist selbst als Kind aus Eritrea geflohen und in Stuttgart in einer deutschen Pflegefamilie aufgewachsen. Jetzt hilft er mit Dolmetschen anderen Flüchtlingen beim Ankommen in Deutschland.
Ankommen würde die schüchtern wirkende Frau mit ihrer mittlerweile schon eine deutsche Grundschule besuchende Tochter gerne in der Mietwohnung der Reiters. Seit einem Jahr und vier Monaten sind die beiden in Deutschland und leben in einem Zimmer in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft. Es sei dort eng und laut – Mutter und Tochter suchen schon seit über einem Jahr nach einer Wohnung.
Stadt zahlt die Mietkosten
Die Stadt zahlt die Mietkosten, das ist schon bewilligt. "Wer seine Wohnung für Flüchtlinge zur Verfügung stellt, schließt in der Regel einen unbefristeten Mietvertrag mit der Stadt als Vertragspartner ab", ist beispielsweise auch auf der Homepage der Stadt Freiburg zu lesen. Damit seien regelmäßige Mietzahlungen garantiert. Zu der privaten Wohnungsvermittlung komme es schließlich auch erst, wenn das Asylverfahren abgeschlossen sei.
Doch viel Geld verdienen könne man damit nicht, sagt Julia Wülfrath. Wer ein Zimmer oder eine Wohnung an Flüchtlinge vermieten will, muss sich was die Höhe der Mieteinnahmen betrifft an städtische Vorgaben halten. Die vorgeschriebene Miethöhe liegen in Berlin ungefähr in dem Bereich, was Mieter auch von Hartz-4 Empfängern nehmen können. Sie wird vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) an die Vermieter überwiesen.
Die Flüchtige sind meist sehr dankbar, wenn sie eine Wohnung beziehen können. Ganz selten lehnten sie diese Möglichkeit ab, sagt Julia Wülfrath. Gerade bei der aktuellen Überbelegung der Sammelunterkünfte in Berlin ist dies verständlich. Aktuell werden teilweise bis zu 1.000 Menschen auf engem Raum zusammengelegt.
Privatwohnungen gut für Integration
In Privatwohnungen gelinge die Integration meist wesentlich schneller, so die Erfahrung von Werner Hein, Leiter des Amts für Wohnraumversorgung in Freiburg. Kinder könnten so schneller Freundschaften mit deutschen Kindern schließen. Hein sagt: "Erst eine eigene Wohnung zu haben, heißt hier anzukommen."
Sorgen von Vermietern wie möglicherweise Probleme mit Lärm oder bei der Müllentsorgung nimmt Hein natürlich ernst. Allerdings betreut sein Amt mehr als 550 Flüchtlingen in Privatwohnungen und so kann der Amtsleiter aus seiner Erfahrung heraus berichten: "Wenn es Probleme gibt, sind es dieselben, die es überall gibt, wo Menschen zusammen wohnen." In Freiburg gibt es für Flüchtlinge in der Anfangszeit ohnehin eine soziale Wohnbegleitung, also eine betreuende Person, die sich bei Konflikten kümmert.
Von Bundesland zu Bundesland ist es sehr unterschiedlich, ob mehr auf Sammelunterkünfte oder Einzelwohnraum gesetzt wird, wie eine Studie des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zeigt. In Berlin können Flüchtlinge nach drei Monaten Aufenthalt diesen beantragen, in Baden-Württemberg beispielsweise erst nach ein bis zwei Jahren.
Die Besichtigung in Berlin geht zu Ende. Da nur die eine Interessentin mit ihrer Tochter gekommen ist, sagt Reiter: "Da fällt die Entscheidung leicht, wem ich die Wohnung vermiete."