Symbolfoto Überwachung: Augapfel aus Plastik auf orangenem Hintergrund.
Foto: Getty Images/William Andrew
Big Brother betet mit: Gesichtserkennung im Gottesdienst
Schöne neue Kirchenwelt: In 42 Gotteshäusern weltweit wird bisher die Software Churchix verwendet. Damit können Gemeinden protokollieren, wer zum Gottesdienst kommt. Die deutschen Kirchen haben daran allerdings kein Interesse.
18.08.2015
epd
Nadine Emmerich

Schäfchenzählen hat in einigen Kirchen eine neue Bedeutung bekommen. Das israelisch-amerikanische IT-Unternehmen Face-Six hat eine Software zur Gesichtserkennung namens "Churchix" entwickelt. Das Programm wird in Kirchen eingesetzt, um zu registrieren, wer am Gottesdienst teilnimmt und wer schwänzt. Bisher verwendeten 42 Kirchen weltweit die Software, sagte Firmenchef Moshe Greenshpan dem Evangelischen Pressedienst (epd). In deutschen Kirchen werde es diese Form der Kontrolle nicht geben, teilten die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die katholische Deutsche Bischofskonferenz mit.

Medienberichten zufolge nutzen Gotteshäuser in den USA, Portugal, Afrika, Indonesien und Indien die Software. Greenshpan selbst äußert sich dazu nicht. "Die Reaktionen sind überwältigend", schwärmte er jedoch im Interview mit dem Blog "Churchmag". "Die Kirchen, mit denen wir gesprochen haben, sagen, für sie sei ein Traum wahr geworden."

Trefferquote von 99 Prozent

Dieser Traum funktioniert technisch so: Die Gemeinde lädt Churchix auf einen gewöhnlichen Rechner. In der Datenbank hinterlegt sie hochauflösendes Bildmaterial ihrer Mitglieder. Entweder in der Kirche oder an einer Kontrollstation am Eingang werden Kameras installiert und mit dem System verbunden. Aufgenommene Fotos oder Videos werden an den Computer geschickt und von "Churchix" in Sekunden mit den hinterlegten Bildern abgeglichen. Die Trefferquote liegt laut Greenshpan bei 99 Prozent.

Schon in der Vergangenheit haben Kirchen ihre Gottesdienstbesucher von Hand gezählt. In den evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümern in Deutschland wird die Zahl der Gottesdienstbesucher an festgelegten Zähltagen ermittelt.

Der Überwachung entziehen kann sich nur, wer der Kirche fernbleibt

Mit Churchix erfolge dies eben digital, verspricht der Firmenchef dem britischen Onlinemagazin "International Business Times UK". Die Kirchenkunden würden aufgefordert, das Programm offen und nicht heimlich zu nutzen - und etwa eine freiwillige Registrierung einzuführen. Bisher seien die Gemeinden diesem Aufruf aber offenbar nicht nachgekommen. Er fürchte, die Kirchen klärten ihre Besucher nicht auf, bestätigte Greenshpan dem epd. Der Überwachung entziehen kann sich also nur, wer der Kirche fernbleibt.

Eigentlich arbeitet Face-Six mit Sicherheitsdiensten zusammen. Zu Kunden des Unternehmens gehören etwa Casinos, Flughäfen und Einkaufszentren. Dann sprachen auch Kirchen das IT-Unternehmen an. "Wir hätten nie an Kirchen als potenzielle Kunden gedacht", bekannte Greenshpan in "International Business Times UK".

Detaillierte Statistiken und Profile über den Kirchgang der Gemeindemitglieder möglich

Für Geistliche schafft Churchix neue Möglichkeiten. Sie könnten detaillierte Statistiken und Profile über den Kirchgang ihrer Gemeindemitglieder erstellen, über Alter und Geschlecht der Gottesdienstbesucher. Zudem könnten sie mithilfe der Software neue Gesichter gezielt ansprechen und versuchen, scheinbar verloren gegangene Gläubige zurückzugewinnen.

Churchix könnte auch als Sicherheitssystem verwendet werden, wenn Fotos von Menschen mit Hausverbot oder von Straftätern im System hinterlegt würden. Eine Kirche nutze die Software bereits zur Identifikation von Kriminellen und Sexualstraftätern, sagte Greenshpan dem Onlinemagazin "Motherboard". Wer konkret zu den Kunden von Churchix zähle, verrät er nicht. Auch in den USA ist die Software der Kritik von Datenschützern ausgesetzt.

In Deutschland müssen sich Kirchgänger nicht sorgen, im Gottesdienst künftig gefilmt und digital erfasst zu werden. "Der Einsatz einer solchen Software zur Überwachung der Gottesdienstbesucher ist rechtlich bei uns undenkbar", sagt eine EKD-Sprecherin. Eine Videoüberwachung - und Churchix gehe ja noch weiter als das - sei nur in engen Grenzen möglich, die im Datenschutzgesetz der EKD festgehalten sind. Dort heißt es: "Während der Gottesdienste ist eine Videoüberwachung unzulässig." 

Auch die stellvertretende Sprecherin der Deutschen Bischofskonferenz, Daniela Elpers, sieht datenschutzrechtliche Probleme. "Eine derartige Videoüberwachung in katholischen Kirchen in Deutschland ist derzeit nicht denkbar und entspricht nicht unserer 'Kirchenkultur', die sich von der amerikanischen in vielen Aspekten unterscheidet", sagt Elpers.