Klaus Hoffmann
Foto: Malene
"Wir müssen der Angst ins Auge schauen"
Den Liedermacher und Chansonnier Klaus Hoffmann lassen die vielen Bilder von Flüchtlingen und gekenterten Booten nicht los. Er möchte etwas tun - und erhebt seine Stimme. Er hat ein Lied über Flüchtlinge geschrieben und will damit viele Menschen erreichen. Ein Interview über seine Gründe und darüber, warum wir uns unseren Ängsten stellen müssen, um andere bei uns Willkommen heißen zu können.
18.08.2015
evangelisch.de
Franziska Fink

###person|18431###Herr Hoffmann, in Ihrem Lied "Das Ende aller Tage" singen Sie über das Schicksal von Flüchtlingen. Warum war es Ihnen wichtig, darüber ein Lied zu schreiben?

Klaus Hoffmann: Es war ganz intuitiv aus dem Bauch der Erkenntnis heraus durch die aktuellen Schiffs- und Flüchtlingsmeldungen. Als junger Mensch war ich in Malaysia, das werde ich nicht vergessen. Man schob die Menschen, Kinder und Greise, Familien, die aus Vietnam ins rotchinesische Meer geflohen waren, einfach auf die Inseln ab.

Vielleicht war es dieser traumatische Eindruck, der mich damals schon berührte. Kinder liefen um Hilfe schreiend auf mich zu. Frauen, die Papiere wollten, baten mich um ihr Leben, als wäre ich der Mensch, der das lösen konnte. Ich glaube, ich hatte damals Angst. Angst vor dem Fremden. Meine ganze kleinbürgerliche Erziehung kam in mir hoch. Ich konnte nichts tun, war ohnmächtig.

Klaus Hoffmann - Das Ende aller Tage

Später schrieb ich immer über Menschen, die ein Zuhause suchen, die bei sich selbst ankommen wollen. So entstand das Lied "Das Ende aller Tage" - einfach als ein Apell an die Menschlichkeit. Ich möchte anrühren, berühren, auf die Schiffsmeldungen reagieren. Mit einem Lied.

Woher kommen diese Hilflosigkeit und die Ängste in unserem Land, wenn es um Flüchtlinge geht und was können wir dagegen tun?

Hoffmann: Ich bin kein Politiker. Ich gebe auch keine Ratschläge und ich gehöre keiner Partei an. Ihre Frage ist gut, aber sie zeigt unsere Grenzen auf.

Ich bin in der Nachkriegszeit aufgewachsen, zwischen kranken und oft traumatisierten Vätern - wenn sie überlebt hatten - und zupackenden Frauen im zerstörten Berlin. Ich kenne die Ängste vor jeder Abweisung: ob vor dem Verlust der eigenen Existenz oder die Angst davor, arm zu sein, verloren zu sein, nicht genug zu sein.

Ihre Frage ist schwer zu beantworten und trotzdem: Wir müssen der Angst, also auch der Angst vor dem Unbekannten und Fremden, ins Auge schauen. Von Mensch zu Mensch. Und den Politikern Beine machen. Dieses "Wir" zählt. Wir sind nicht allein. Wenn sich biedermännisches Gedankengut und rechte Hetze breit macht und im Geiste gezündelt wird, dann müssen wir uns dagegen erheben, etwas dagegen stellen, sonst werden Dummheit und Unwissenheit siegen. Jede Demokratie ist dazu aufgerufen.

Aber dafür ist Einsicht in die eigenen Unvollkommenheiten, in die eigenen Ängste und Zweifel nötig: Sich nicht dafür zu schämen, wenn man fliehen will, vor dem Elend der anderen am liebsten die Augen verschließen möchte. Wir müssen über den Tellerrand schauen, dürfen fehlende Empathie nicht mit hart werden ersetzen. Ich bin kein Ratgeber, ich suche selbst. Es ist nicht leicht, aber möglich und machbar.

Was wünschen Sie sich von den Menschen in Deutschland und was von unseren Politikern?

Hoffmann: Dass sie wach bleiben. Wir müssen wach sein. Hinschauen, auch wenn es klemmt. Miteinander reden. Erinnern, dass wir selbst immer wieder Fremde sind. Den Leuten die Angst vor dem Unbekannten nehmen.

"Wir müssen Grenzen setzen bei Gewalt"

Zusammenbringen, zuhören und Grenzen setzen, das ist doch das Wesentliche: Wir müssen Grenzen setzen bei Gewalt, bei Überschreitung der moralischen Grundwerte wie Liebe, Freundschaft, Frieden und menschlicher Gerechtigkeit.

Und den Politikern ebenso Grenzen setzen, wenn sie sich mit Plaudereien aufhalten, um den nächsten Wahlkampf zu gewinnen. Selbst die Freiheit der Wahl nutzen. Zusammen stehen, den Leuten ein Willkommen heißen und darauf achten, dass sie das Gefühl des Fremdseins verlieren, wenn wir ihnen Hilfen anbieten. Damit sie ankommen können. Wo auch immer.