TV-Tipp: "Ob ihr wollt oder nicht" (ARD)
15. August, 21.45 Uhr, ARD: "Ob ihr wollt oder nicht"
Es ist ebenso seltsam wie bezeichnend, dass Krebsfilme immer wieder nach einem ähnlichen Muster funktionieren: Die eigentlich tragische Hauptfigur entwickelt eine Haltung, die zwar rebellisch, aber auch lebensbejahend ist. Und vor allem ansteckend: Als sei die Krankheit ein Katalysator, bringt sie in den Mitmenschen das Beste zum Vorschein; allen voran viel Lebensmut.

Weil der Handlungskern natürlich tragisch ist, werden die Geschichten außerdem gern als Komödie erzählt. Aus diesem Grund ist Ben Verbong genau der richtige Regisseur für diesen Film: Der Holländer ist hierzulande in erster Linie durch seine herzerfrischend komischen Paul-Maar-Verfilmungen "Das Sams" und "Herr Bello" bekannt geworden.

In den Niederlanden hat Verbong allerdings überwiegend Filme gedreht, die alles andere als komisch waren ("Lily was here", "Die unanständige Frau"). Und dann musste er kurz vor Drehbeginn auch noch verkraften, dass das Leben die Geschichte des Films vorwegnahm, als seine ältere Schwester an Krebs starb. Einige der entsprechenden Erfahrungen hat der Regisseur in die Inszenierung des Drehbuches von Karin Howard und Katja Kittendorf einfließen lassen: Ohne jede Ankündigung steht eines Tages Laura (Katharina Marie Schubert) vor der Tür ihres Elternhauses. Sie hat die Chemotherapie abgebrochen und ist heimgekommen, um zu sterben. Zuvor aber will sie die Familie wieder vereinen: Seit Jahren haben die vier Schwestern nur noch sporadischen Kontakt untereinander; alle zusammen waren sie schon ewig nicht mehr bei den Eltern (Senta Berger und der Belgier Jan Decleir).

"Ob ihr wollt oder nicht" gehorcht also erst mal dem Muster typischer Familiengeschichten. Man fällt in frühere Rollenmuster zurück, streitet sich, versöhnt sich wieder, präsentiert alte Rechungen, gesteht Geheimnisse. Nach und nach offenbart sich, dass keine der Schwestern ist, was sie zu sein vorgibt: Hausmütterchen Coco (Anna Böger) ist kreuzunglücklich und hatte noch nie einen Orgasmus, die unterkühlte Susa (Christiane Paul) ist dringend therapiebedürftig und die hübsche Star-Designerin Toni (Julia-Maria Köhler), die ständig neu verliebte jüngste, hat keine Aufträge mehr und rennt vor jeder Beziehung davon.

In allen Rollen Schauspieler mit Theatererfahrung

Über all diese nach und nach zu Tage tretenden Probleme vergessen Protagonisten und Publikum mehr und mehr den eigentlichen Anlass des Familientreffens, zumal es die Ablenkungen durchaus in sich haben: Toni wettet mit Laura, das sie den Mann ihres Lebens finden werde; Laura verspricht im Gegenzug, dann zu ihrem Mann (Jan-Gregor Kremp) zurückzukehren, den sie verlassen hat, um ihm den Schmerz ihres Sterbens zu ersparen. Also zaubert Toni am Morgen drauf Paul (Mark Waschke) aus dem Hut, mit dem sie am Strand eine spontane stürmische Begegnung hatte. Paul macht zunächst mit, aber dann wird ihm das Spiel zu blöd, und Toni merkt noch rechtzeitig, dass es gar keins ist; vor allem für sie selbst.

Verbong war es wichtig, für alle Rollen Schauspieler mit Theatererfahrung zu verpflichten, und das zahlt sich aus. Abgesehen von einigen wunderbaren Naturaufnahmen (Kamera: Theo Bierkens) spielt sich der größte Teil der Handlung im Elternhaus ab; außerdem treten die Darsteller überwiegend als Ensemble auf. Zu diesem zählt auch der kleine Rauhaardackel der Familie, dessen Ableben typisch ist für den mitunter recht schwarzen Humor der Geschichte: Da die Ereignisse den Beteiligten auf den Magen schlagen und die Essensreste regelmäßig im Fressnapf landen, ist Cäsar vermutlich der einzige, der dem Krebsleiden nur Gutes abgewinnen kann. Aber selbst das täuscht: Auf einen satten Rülpser aus dem Hundekörbchen folgt eine Begräbnisszene mit strömenden Regen und Leichenbittermienen; zu Grabe getragen wird jedoch nicht die Tochter, sondern der Hund, der sich überfressen hat. Mit Lauras unvermeidlichem Sterben allerdings bekommt der Film doch noch sein tränenreiches Finale.