Herr Meyer, wissen Sie noch, was Sie am 3. Oktober 1990 gemacht haben, als Deutschland wiedervereinigt wurde?
Ulrich Meyer: Das weiß ich noch genau: Ich habe Dienst geschoben und als Fernsehreporter für RTL darüber berichtet, was in dieser Nacht in Köln passierte. Am Dom herrschte ein andächtiges Schweigen, das war Freude, das war etwas Großes, die Menschen hatten Tränen in den Augen. Man hatte das Gefühl: Jetzt beginnt etwas ganz Neues. Es war ein sehr positiver Abend, einer der größten Momente, die ich je erleben durfte.
Jetzt feiern Sie in der Rankingshow "Wir sind Deutschland" das Jubiläum der Einheit…
Meyer: Die deutsche Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit, ausgelöst von mutigen Demonstranten, ist unbedingt ein Grund zu feiern. Dieser Satz von Willy Brandt, "Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört", war damals couragiert. Aber ich glaube, heute wäre er ganz zufrieden mit dem, was inzwischen passiert ist.
Also würden Sie sagen, dass Ost und West in diesen 25 Jahren hinlänglich zusammengewachsen sind?
Meyer: 25 Jahre nach der Einheit ist das Zusammenrücken greifbar und fühlbar geworden. Es ist so viel passiert in dieser Zeit, und das hat die Deutschen zusammenrücken lassen. Wir haben zusammen gelacht, gefiebert und gebangt. Durch gemeinsames Erleben, nicht zuletzt in den Medien, haben wir als 80-Millionen-Nation eine kollektive Erinnerung entwickelt, die uns beseelt. Wir wollen in den drei Shows eine emotionale Zeitreise unternehmen, die das reflektiert.
Wie denn genau?
Meyer: Wir haben Menschen getroffen und zu den großen Ereignissen befragt, die wir alle erlebt haben. Nehmen Sie die Oder-Flut, das war einer der ersten Momente, an dem die Deutschen in Ost und West zusammengerückt sind. Wir sind durch die Lande gereist mit einem eigens dafür gebauten schwarz-rot-goldenen Sofa, auf dem Menschen Platz nehmen, die uns ihre persönliche Geschichte erzählen, Prominente von Til Schweiger über Dietmar Bär bis Henry Maske.
Sind Sie bei der Reise durch Deutschland auch auf Dinge gestoßen, die Ost und West immer noch trennen?
Meyer: Wir haben nicht nach trennenden Situationen gesucht. Wir wollen ein positives Bild vermitteln und uns nicht kritikschwer daran machen, ein akademisches Urteil über den Fortschritt der Vereinigung zu fällen. Wir wollen zeigen, dass wir Deutschen in Ost und West schon ein großes Stück Weg gemeinsam gegangen sind. Da ist zwar immer noch Platz nach vorne, der Weg zum Licht ist noch nicht zu Ende. Aber es hat sich verdammt viel verändert.
Was denn zum Beispiel?
Meyer: Es gibt unendlich viele Beispiele, wie sich unser aller Leben technisch, sozial, wirtschaftlich, kommunikativ geändert hat – in keiner Generation so sehr wie in unserer. Eines Tages war auf einmal ganz Deutschland tätowiert, wir haben in meiner Sendung "Akte" Koks im Bundestag gefunden, kein Mensch hat heute noch ein Fax, weil alles über Mail läuft, selbst Regierungen sich über Twitter äußern. Oder nehmen Sie die Einführung der fünfstelligen Postleitzahlen. Alle haben damals gesagt, das kann man sich nicht merken. Mittlerweile sind wir notgedrungen in der Lage, uns 22-stellige Kontonummern zu merken.
"Menschen, die in der Stunde der Prüfung über sich hinausgewachsen sind"
Sie sind ja bekennender Anzugträger und moderieren Ihre TV-Sendung "Akte" immer im feinen Zwirn. Sind Sie auch für die Einheits-Show im Anzug unterwegs?
Meyer: Ja, natürlich – aber er ist etwas lässiger geschnitten und ich trage keine Krawatte, weil ich mich außerhalb des Studios bewege. Das ist übrigens auch etwas, das sich im Lauf der 25 Jahre in unserer Gesellschaft geändert hat. Das Wort Anzugträger meinte in meiner Jugend noch etwas Besonderes, jetzt ist es fast zum Schimpfwort geworden. Aber ich bleibe meinen Anzügen treu.
Eine Ausgabe der Show dreht sich um deutsche Helden seit 1990. Welches ist Ihr deutscher Held?
Meyer: Wir stellen da einige vor. Man könnte bei Helmut Kohl anfangen, man könnte Nobelpreisträger oder Bestsellerautoren nennen oder Sportler wie Michael Schumacher. In der Show geht es aber eher um Menschen, die in der Stunde der Prüfung über sich hinausgewachsen sind und insofern Helden sind. So wie Jan Ullrich, der frühere Radrenn-Star. Wir erzählen seine Geschichte von einer kleinen Szene bei der Tour de France her, als sein großer Widersacher Lance Armstrong gestürzt war. Ullrich hätte davonziehen können, aber er wartete auf Armstrong. Da hat er Größe gezeigt, und dieser Moment bleibt, egal was danach alles kam.