Die Schauspielerinnen sind nach wie vor gefragt, gerade Berger womöglich mehr als je zuvor, aber solche Rollen werden vermutlich selbst solchen Ausnahmekönnerinnen nicht alle Tage angeboten. Sie spielen zwei Frauen Mitte sechzig, die kaum unterschiedlicher sein könnten: Die verknöcherte Almuth, geschieden und alleinstehend, hat ihre Münchener Zahnarztpraxis einem jüngeren Kollegen übergeben und plötzlich viel Freizeit. Rita ist ihre lebenslustige Putzfrau, von Almuth irgendwann engagiert und längst vergessen, aber nun dank ihrer in jeder Hinsicht lautstarken Auftritte kaum zu ignorieren.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Vermutlich hätte der Film auch mit weniger charismatischen Hauptdarstellerinnen funktioniert, weil schon allein der Kontrast so komisch ist, und womöglich wäre die durchaus nachdenkliche Komödie noch reizvoller gewesen, wenn die Rollen andersrum besetzt worden wären, aber so ist es auch ganz wunderbar: Senta Berger verkörpert die verbitterte Almuth als unnahbare Eiskönigin, die ihre Mitmenschen lieber verletzt, als sie an sich herankommen zu lassen. Zunächst prallt auch Rita mit ihrer Berliner Schnauze an dem Panzer ab, doch sie lässt nicht locker, weil sie spürt, dass Almuth eine einsame Frau ist, der ein trister Lebensabend droht.
Viel Liebe zum Detail
Das mag als Handlungskern nicht besonders originell klingen, doch die beiden Schauspielerinnen erfüllen ihre Rollen mit ungeheuer viel Leben, was naturgemäß vor allem für Froboess gilt; Berger übt sich vor allem in der Disziplin „Wenn Blicke töten könnten“. Eher schlicht ist auch die Erkenntnis, dass Almuth bloß das Produkt ihrer Erziehung ist, wie beim Besuch ihrer Mutter im Seniorenheim deutlich wird; beide Frauen pflegen unliebsame Gespräche mit der Aufforderung „Schluss, aus, Themawechsel“ zu beenden. Spätestens die Begegnungen zwischen Almuth und ihrer Tochter Kathrin (Patricia Aulitzky) zeigen, dass sie selbst es nicht viel besser gemacht hat.
Ohnehin hat der Film viel mehr zu bieten als bloß den regelmäßigen Schlagabtausch zwischen den beiden Titelfiguren, aber natürlich liegt der Reiz der Geschichte vor allem darin zu beobachten, wie die buchstäblich zugeknöpfte Almuth nach und nach auftaut; selbst wenn sie nach jedem Fortschritt regelmäßig erschrickt und wieder zwei Schritte zurück macht. Nicht nur das Drehbuch (Brigitte Blobel), auch die Inszenierung (Nikolai Müllerschön) verrät immer wieder viel Liebe zum Detail: Mal fährt die Kamera (Daniel Koppelkamm) auf dem Staubsauger mit, mal veranschaulicht die Bildgestaltung, wie Almuth beim gemeinsamen Besuch der Mutter aus deren Sicht buchstäblich hinter der herzlichen Kathrin verschwindet.