Hinter der Fokussierung der Serie auf Cordula Stratmann dürfte die Hoffnung stecken, dass die Rheinländerin dem aus ARD-Sicht vermaledeiten Vorabend als Zugpferd dient: Seit Jahren steckt der Sendeplatz trotz vieler Serienstarts nun schon in einer Quotensackgasse. Die Dachmarke "Heiter bis tödlich" hat ihre positive Signalwirkung für Regionalkrimis völlig verfehlt; außer "Großstadtrevier" sowie "Hubert und Staller" konnte keine der Serien beim Publikum wirklich punkten. Anschließend versuchte die ARD, ob es ohne Krimi vielleicht besser geht; hat auch nicht funktioniert.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Und nun also Stratmann. Die vor gut fünfzig Jahren in Düsseldorf zur Welt gekommene Komödiantin bringt zwei sich scheinbar widersprechende Vorteile mit: Sie hat einerseits viel Erfahrung, ist aber andererseits keines jener Fernsehgesichter, die man seit Jahrzehnten immer wieder sieht. Die Rheinländerin ist eine klassische Quereinsteigerin: Sie hat zunächst Sozialarbeit studiert und anschließend eine Ausbildung zur systemischen Familientherapeutin gemacht. Mit Ende zwanzig gründete sie eine Kabarettgruppe, 1992 wurde sie mit ihrer Figur Anemie Hülchrath zur Karnevalsgröße. Trotz erster Fernsehangebote dauerte es noch einige Jahre, bis sie ihre Arbeit in einer Kölner Familienberatungsstelle aufgab und sich endgültig der Comedy verschrieb; ihre mehrfach ausgezeichnete Mitwirkung in der Improvisationsshow "Schillerstraße" (Sat.1) machte sie 2004 endgültig bekannt.
Nach Moderationen etwa der Quizshow "Das weiß doch jedes Kind!" oder als kongeniale Partnerin von Olli Dittrich in den Persiflagen "Frühstücksfernsehen" und "Talkgespräch" wird sich nun erstmals zeigen, ob die Komödiantin auch eine Serie tragen kann. "Die Kuhflüsterin" spielt im Bergischen Land. Die Titelfigur ist Tierheilpraktikerin mit einer besonderen Gabe: Belinda Mommsen muss ihre tierischen (und manchmal auch menschlichen) Patienten nicht mal berühren, um die Ursachen ihrer Krankheiten zu entdecken; ihre Hände funktionieren wie eine Wärmebildkamera und erspüren im Nu den jeweiligen Unruheherd. Mitunter erledigen sich die Probleme auch von selbst, weil sich beispielsweise ein vermeintlicher Eselstumor als verschlucktes Mobiltelefon entpuppt.
Pointen statt Geschichten
Die Tiere sind aber nur Nebendarsteller und lustige Dreingabe, denn Belinda hat noch eine zweite "Gabe": Sie ist überaus interessiert an ihren Mitmenschen. Akutes Objekt ihrer Neugierde ist ein neuer Nachbar, den ein gewisses Geheimnis umweht. Tatsächlich entpuppt sich Winnes Wöllner (Simon Böer) als Personenschützer des BKA, der aus irgendeinem Grund, den Belinda auch noch rausbekommt, im Bergischen Land aufs Abstellgleis geschoben worden ist. Weitere wichtige Figuren sind ihre beste Freundin Gitti (Susi Banzhaf), die im Ordnungsamt arbeitet, sowie deren Chefin (Sabine Lorenz). Die Dame ist Belindas Intimfeindin und droht ihr ständig mit dem Entzug der Lizenz als Heilpraktikerin für Tiere, weil sie nicht aufhört, auch die Besitzer der Vierbeiner zu behandeln.
Geschichten im klassischen Sinn erzählt "Die Kuhflüsterin" jedoch nicht. Die kurzweiligen Folgen bestehen aus vielen kurzen Szenen, deren Dramaturgie konsequent auf die Pointen ausgerichtet ist (Idee und Chefautor: Mark Werner), sodass die Serie nicht zuletzt dank der vielen Innenaufnahmen wie eine Sitcom wirkt. Dazu passt auch der Regisseur. Ulli Baumann hat im Frühjahr mit der ARD-Komödie "Drunter & Brüder" bewiesen, dass er die komödiantische Spannung nicht bloß über 25 Minuten halten kann, aber dank unzähliger Folgen und einer Vielzahl von Preisen für die Serien "Die Camper", "Nikola", "Ritas Welt", "Mein Leben und ich" (alle RTL) sowie zuletzt "Add a Friend" (TNT) gilt er als der deutsche Sitcom-Experte.