Wenn gleich zu Beginn eine Uhr stehen bleibt, interpretiert man es selbstredend als böses Omen. Schließlich hat das Drehbuch (Marcus O. Rosenmüller und Sophia Krapoth) die Handlung in einer traditionsreichen Uhrenmanufaktur angesiedelt. Als kurz drauf die Frau des Patriarchen Herbert Althoff (Hermann Beyer) stirbt, wird dies akustisch durch ein in die Musik (Hans Franek) integriertes ersterbendes Ticken illustriert; ein kleiner, aber wirkungsvoller Effekt. Zur Beerdigung erscheint auch Althoffs zweite Tochter Mia (Aglaia Szyszkowitz), die sich schon lange nicht mehr bei ihrer Familie im Erzgebirge hat blicken lassen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Von Beginn an versieht die Musik die Bilder mit einem klanglichen doppelten Boden. Außerdem wird Szyszkowitz, sonst meist als Sympathieträgerin besetzt, mit kleinen Attributen versehen, die eine gewisse Signalwirkung haben; auch wenn die knallroten Fingernägel weniger originell sind als die Tatsache, dass sie Motorrad fährt. Somit ist Mia das konsequente Gegenteil zu ihrer Schwester Susanne (Katharina Böhm), die die schwiegerväterlichen Geschäfte führt. Sie ist Frau und Mutter und abgesehen von einigen gemeinsam mit Mia in Australien verbrachten Monaten der sesshafte Gegenentwurf.
Die Konfrontation zwischen den Schwestern ist nur eine Frage der Zeit, erst recht, als man erfährt, dass Susannes Tochter Jenny (Tara Fischer) in Wirklichkeit Mias Kind ist. 14 Jahre hat sie sich nicht um das Mädchen gekümmert; das soll sich nun ändern. Nach und nach drängt sie die Schwester aus deren eigenem Leben. Sie mischt sich ins Geschäft ein, macht Susanne die Tochter abspenstig und sich schließlich auch an ihren Mann (Jochen Horst) ran.
Glaubwürdige Hauptdarstellerinnen
Der Konflikt zwischen den beiden Frauen steht klar im Zentrum der Geschichte, die Nebenfiguren sind überwiegend bloß Stichwortgeber, allerdings ebenfalls namhaft besetzt. Kai Schumann zum Beispiel spielt einen Arzt, der Mias Charme erliegt und es teuer bezahlen muss, als er ihre Pläne durchkreuzt. Die beiden Hauptdarstellerinnen verkörpern die Schwestern ausgesprochen glaubwürdig, auch wenn Szyszkowitz naturgemäß die reizvollere Rolle hat: Mia leidet unter einer bipolaren Persönlichkeitsstörung, sie ist manisch-depressiv und kann sich innerhalb weniger Momente von der alles überstrahlenden Supernova zum alles vernichtenden Schwarzen Loch wandeln. Für eine Schauspielerin ist so eine Rolle ein Traum. Gerade noch steckt Mia ihre Umgebung mit ihrer Begeisterung an, kurz drauf wirkt sie wie ein um Jahre gealtertes Häufchen Elend. Dass die Sache kein gutes Ende nehmen kann, versteht sich von selbst.