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Buntes Licht fällt in zur Gebetsgeste geöffnete Hände.
"Wir erwarten keine Wunder"
Stell dir vor, du bist homosexuell und deine Religionsgemeinschaft heißt dich willkommen. Für liberale homosexuelle Juden ist das teilweise schon Realität. Für Muslime und Katholiken hierzulande ist das derzeit undenkbar. Bei den homosexuelle Protestanten in der evangelisch-lutherischen Nordkirche zeigen sich Fortschritte, aber eine Gleichstellung von Homo- und Heterosexuellen gebe es noch nicht.
26.06.2015
evangelisch.de
Mechthild Klein

Dieses Fazit zog eine Podiumsdiskussion zum Thema "Homosexualität und Religion" in der Hamburger Zentralbibliothek. Veranstalter war der Verein "Hamburg Pride" mit Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung. Homophobe Provokateure im Publikum waren auch dabei – ihre Fragen heizten die Stimmung kräftig an.

Der Dialog auf Augenhöhe, der von der schwullesbischen Community so sehr gewünscht wird, scheitert wegen der Dialogverweigerung von geistlicher Leitung und Gemeinden häufig schon im Ansatz. Auf dem Podium fand sich kein offizieller Vertreter der katholischen Kirche, noch aus einer jüdischen Einheitsgemeinde oder der muslimischen Verbände. Dabei gebe es hier noch soviel Diskussionsbedarf, sagte Moderator Stefan Mielchen. Der Blick in die heiligen Texte der Religionen zeige, dass nur wenig zu finden ist, was gegen die Homosexualität spricht. Wenn man die Textstellen zu deuten versteht und den historischen Kontext berücksichtige.

Beispiel Islam

In islamischen Traditionen gibt es zwar die Auffassung, dass Homosexualität verboten und auch geahndet werden soll, aber in Europa sei das anders, sagte der Islamwissenschaftler und Arabist Ismael Mohr. Die Muslime bekommen doch mit, dass sogar Politiker sich offen schwul bekennen, wie Guido Westerwelle und Klaus Wowereit. Er glaube sogar, dass bei einer Umfrage die deutschen Muslime auch für die Homoehe stimmen würden – wie das Volk in Irland.

Zwar gebe es viele Muslime und Gelehrte, die meinen, ihre Religion verbiete Homosexualität. Aber aus Sicht des Arabisten ist diese Haltung oft nur "schwach" begründet. Im Koran wird mehrfach die Geschichte von Lot geschildert. Mit Andeutungen, dass auch der gerechte Lot homosexuell sei, anders als in der Bibel. Aber es wird nicht expliziet gesagt, dass homosexuelle Liebe verboten (haram) ist, erläuterte Mohr, selbst Muslim und schwul. So gibt es nur einen Hadith (Sprüche des Propheten), der sich indirekt auf Homosexuelle bezieht. Doch es sei ein "schwacher Hadith", der selbst auf keiner authentischen Überlieferung beruhe.

Der anwesende Vertreter der evangelisch-lutherischen Kirche, Pastor Nils Christiansen, erläuterte, wie die Geschichte von Lot nach der hebräischen Bibel verstanden werden könne. Zur Erinnerung: Lot bietet zwei Männern die Gastfreundschaft an und beherbergt sie. Am Abend werden sie von einer Horde Männer aus der Stadt sexuell bedrängt. Sie (die Sodomiter) wollen die Gäste schlichtweg vergewaltigen. Die Gäste aber sind Männer Gottes (Engel) und schlagen den Mob mit Blindheit, so dass sie entkommen können. Die Bibelstelle (Genesis Kap. 19) handele wohl von einer damals üblichen Praxis der Erniedrigung, die in der Bibel angeprangert wird, es geht also nicht um homosexuelle Liebe.

So argumentierte auch Susanne Dorn vom Netzwerk katholischer Lesben. Die Bibel schildere hier Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt, die verurteilt werde. Deshalb wurde das Volk von Sodom und Gomorra von Gott vernichtet. Mit anderen Worten: die Bibel verurteilt die menschenverachtende Praxis der Vergewaltigung von Männern und Frauen.

Zudem sei die Bibel eben nicht wortwörtlich auszulegen, da sind sich Susanne Dorn und Nils Christiansen einig. Doch blieben bei der der Diskussion auch noch Fragen offen, weil die Podiumsteilnehmer nur skizzenhaft durch die problematischen Bibelstellen lotsten.

Wie auch aktuell in Hamburg - nur wenige der offiziellen Religionsvertreter stellen sich einer öffentlichen Diskussion. Zwar würde immer gesagt, dass man Homosexuellen auch Respekt entgegen bringen soll, aber eine Teilhabe sehe anders aus, sagte Mohr. Er berichtete, dass er noch nie von islamischen Gemeinden außerhalb der Gay-Netzwerke eingeladen worden sei. Nur der Liberal-islamische Bund traue sich bislang an das Thema heran und sieht in der Homosexualität keinen Widerspruch zum Islam.

Homosexualität ist gottgewollt

Das Hauptargument für homosexuelle Liebe sehen homosexuelle Christen und ihre Mitstreiter im Menschenbild der Religionen begründet, etwa in der Schöpfungsgeschichte. Gott schuf den Menschen nach seinem Bild. Gottes Ebenbildlichkeit bedeutet, dass ein Mensch auch mit seiner Homosexualität eingeschlossen ist. "Das Göttliche legt sein Wesen und seinen Kern in alle Menschen hinein", sagte Pastor Christiansen. Maßstab ist, wie Jesus mit den Menschen umgeht und alles Menschliche "vom Rand in die Mitte der göttlichen Aufmerksamkeit zurückholt". Luther hatte das einst so zugespitzt – alle heiligen Texte und Handlungen müssten darauf geprüft werden: "Förderst du das menschliche Leben oder behinderst du es", ergänzt Christiansen. Darum gehe es im Schöpfungsbericht und im Evangelium im Geiste Jesu. Doch manchmal wünschteer sich, dass dabei mehr erklärt werde, dass es um die liebende Zuwendung von Menschen geht, die würdevoll miteinander leben und Verantwortung füreinander übernehmen – egal ob hetero- oder homosexuell.

Dennoch gibt es homophobe Strömungen auch in der evangelischen Kirche, so kennt man im Lager der Evangelikalen auch Bewegungen, die Homosexualität als Krankheit sehen und heilen wollen. Der höchste Vertreter der evangelisch-lutherischen Nordkirche, Präses Andreas Tietze jedoch konterte auf Nachfrage: "Homophobie geht nicht" (in der evangelischen Kirche). Es gäbe "auch Partnerschaften, die wir nicht schließen, wenn es menschenfeindliche Positionen gibt".

Seelische Verletzungen in Religionsgemeinschaften

Das war ein deutliches Wort von einem Kirchenvertreter. Von katholischer Seite hätte es sicher gut getan, hier nicht zu kneifen. Jetzt wo sogar das katholische Irland sich zur Öffnung der Ehe für Homosexuelle entschlossen hat. Prompt aber lautete die Reaktion aus dem Vatikan, es sei eine "Niederlage für die Menschheit".

Seelische Verletzungen haben wohl alle älteren Homosexuellen in ihren Religionsgemeinschaften und von deren Mitgliedern schon erfahren. Als sich Nils Christiansen vor 15 Jahren als bekennender Schwuler auf eine Pfarrstelle bewarb, bekam er mehr als 40 übelste, diffamierende Schmähbriefe und Anrufe. Das gebe es heute nicht mehr. Am Ende brachte Susanne Dorn die Stimmung auf den Punkt: "Wir erwarten keine Wunder." Etwa, dass Homosexuelle in der katholischen Kirche noch zu ihren Lebzeiten gleichgestellt werden. Aber es geht darum, das die Schwulen und Lesben wahrgenommen und nicht ausgeschlossen werden. Dass sie Menschlichkeit erfahren von den Geistlichen und von den Kirchen als Arbeitgeber.