"Ich bin Designerin und Illustratorin. Anfang Juni bin ich mit meinem Freund nach Berlin gezogen, weil er hier einen Job als Web-Developer gefunden hat. Ich bin mitgekommen, weil die Kunst- und Kreativszene in Berlin einfach angesagt ist. Das ist gut für mich zum Arbeiten", erzählt Maria. Die 31-jährige Portugiesin sitzt in einem Kreuzberger Hinterhof und blinzelt lächelnd in die Sonne. Neben ihr versucht sich ein Mädchen am Farbdruck auf Stoffbeuteln. Maria hat ihr gezeigt, was sie dazu braucht: Stoffe, Farben und Stempel. Die Stempel hat Maria aus Indien mitgebracht, wo sie einige Zeit gearbeitet hat.
Die Idee, internationale Berliner Kreative und die "Urbevölkerung" zusammenzubringen, haben vor mittlerweile zwei Jahre zwei Schweden entwickelt. Die Journalistin Annamaria Olsson und der Übersetzer und Labelbetreiber Anders Ivarsson wohnen seit sechs Jahren in einem Szene-Viertel im nördlichen Neukölln. Sie sind Teil der ständig wachsenden Gemeinde junger Musiker, Künstler, Designer oder Autoren, die die Straßen Berlins bevölkern und langfristig - so wird jedenfalls behauptet - mitverantwortlich sind für Gentrifizierung und Mietsteigerung.
"Ab und zu herrscht eine komische Stimmung zwischen Altberlinern und Neuberlinern, und diese Spaltung fand ich ganz furchtbar. Die Debatte war ziemlich aufgeheizt, aber ohne konkrete Lösungen. Und wir wollten etwas Praktisches, eine kleine Lösung erfinden. Die verschiedenen Welten sollten sich treffen", sagt Annamaria Olsson mit einem breiten Lächeln. Mittlerweile betreibt die Schwedin das Projekt mit zwei Mitstreiterinnen, Lucy aus Wales und Alessia aus Italien, die ursprünglich zum Studium nach Berlin kamen. Irgendwann haben sie sich als Helfer bei einem von Annamarias Projekten von "Give Something Back to Berlin" ("Gib Berlin etwas zurück") gemeldet und sind anschließend selbst Teil der Organisation geworden. "Wir vermitteln nicht nur kostenlose Arbeitskräfte. Es ist uns auch sehr wichtig, die andere Seite der Stadt und auch unsere Nachbarn wirklich kennenzulernen. So baut man eine gute Nachbarschaft und eine gute Gesellschaft auf", sagt Lucy. Die junge Frau aus Wales hat in Berlin ihren Master in Politikwissenschaften abgelegt und ist selbst als Englischlehrerin in der Flüchtlingshilfe aktiv.
500 Freiwillige aus 40 Nationen
Kurz vor dem zweiten Geburtstag ist die Initiative "Give Something Back to Berlin" zu einem echten Renner geworden. In den zwei Jahren wurden über 500 freiwillige Wahlberliner aus 40 verschiedenen Nationen vermittelt: Yogalehrerinnen in ein Heim für obdachlose Frauen, Theatermacher in ein Schauspielprojekt für sozial Benachteiligte, kreative Bastler in ein Reparaturcafé, Englischlehrer in eine Flüchtlingshilfe. Außerdem gibt es Kunstworkshops und Musikunterricht für Kinder aus sozial schwachen Familien oder einen Selbsthilfe-Tanzworkshop für Menschen in Krisensituationen.
Mittlerweile gibt es weitaus mehr Helfer als Projekte, in die sie vermittelt werden können. "Sieben von acht Anfragen müssen wir ablehnen", erzählt Mitbegründerin Annamaria. Manchmal stoßen die Helfer aus aller Welt auf Misstrauen, manchmal sind auch ihre Deutschkenntnisse zur Mitarbeit in einem Kiez-Projekt nicht ausreichend. "Give Something Back to Berlin" arbeitet inzwischen mit einer Vielzahl von Initiativen in Berlin zusammen, die alle eines gemein haben: sozialer Austausch, gegenseitige (Lebens-)Hilfe, Überwindung von gesellschaftlichen Schranken - und das alles umsonst und unpolitisch.
Eine dieser Partnerinitiativen heißt "A table ronde" (Am runden Tisch). Nachdem die gebürtige Pariserin und Gründerin, Sandrine Mazan, ihr Kunstgewerbe-Diplom abgelegt hatte, ging die 26-Jährige nach Berlin, weil sie von der Art des Zusammenleben in der deutschen Hauptstadt begeistert war. Bei "A table ronde" organisiert Sandrine kostenlose Mahlzeiten aus Zutaten, die sie von Bauernhöfen im Umland oder von Supermärkten in der Stadt sammelt. "Wir wollen verschiedene Menschen, vom Flüchtling über den Kiezbewohner bis hin zum Sozialfall zusammenbringen", erklärt sie.
Mit "Give Something Back to Berlin" bestreiten Annamaria Olsson und ihre Helferinnen ein Projekt, das man durchaus als Keimzelle einer besonderen Art des sozialen Zusammenlebens verstehen kann. Eine Keimzelle, die mittlerweile viele Ableger hat und gut vernetzt ist. Einen Hauptteil ihrer Freizeit stecken die drei jungen Frauen in ihr Projekt, das bis jetzt ausschließlich von privaten Spenden lebt.
"Der zweite Geburtstag ist zugleich ein Scheitelpunkt. Wir wissen kaum, wie wir die Miete für unseren Büroraum zahlen sollen, mal ganz abgesehen davon, dass wir selbst seit zwei Jahren ehrenamtlich arbeiten", sagt Annamaria. "Auch wenn bei uns alles umsonst ist, sind wir für die Organisation auf Spenden von Unterstützern angewiesen." Vergangene Woche hat sie dennoch eine große Geburtstagsfeier für das zweijährige Bestehen von "Give Something Back to Berlin" organisiert, mit Helfern, Fans und Unterstützern. Ohne Hilfe von Ämtern oder Behörden, sondern vor allem mit guter Laune und einem guten Gefühl für die Gemeinschaft.