Seitdem die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) vor einigen Wochen das antike Palmyra eroberte, herrscht weltweit Sorge um die einzigartigen Kulturschätze in der syrischen Stadt. Bereits im März hatten die Zerstörung der irakischen Stadt Al-Hadra und von Kultureinrichtungen in Mossul für Entsetzen gesorgt. Das gleiche Schicksal droht nun auch der Weltkulturerbe-Stätte in Syrien. Palmyra wird ein wichtiges Thema sein, wenn das Welterbekomitee der Unesco, der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur, vom 28. Juni bis 8. Juli in Bonn tagt. Darüber hinaus werden die etwa 1.000 Delegierten über Neuaufnahmen in die Welterbeliste beraten. Für Deutschland wurden drei Stätten vorgeschlagen.
Zum Welterbekomitee gehören aktuell 21 Staaten, die von den Unesco-Mitgliedstaaten in das Gremium gewählt wurden. Vorsitzende ist die deutsche Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Maria Böhmer (CDU). Das Komitee wählt neue Stätten für die Welterbeliste aus und überwacht zugleich mit den jeweiligen Staaten die Erhaltung der Stätten. Wenn eine von ihnen gefährdet ist, schlägt das Gremium Gegenmaßnahmen vor und kann bei groben Verstößen den Status als Welterbe auch wieder entziehen.
Weltweit stehen 1.007 Naturregionen und Kulturstätten auf der Welterbeliste der Unesco. Damit werden Landschaften, Baudenkmäler und andere Stätten ausgezeichnet, die von herausragender Bedeutung für die Menschheit sind. 191 Staaten haben das Unesco-Übereinkommen zum besonderen Schutz dieser Stätten unterzeichnet.
Extremistische Zerstörungswut
Doch gegen die Zerstörung durch Terroristen wie dem "Islamischen Staat" in Syrien und dem Irak ist auch die Unesco machtlos. Mehrfach zerschlugen IS-Anhänger Kulturschätze, die nicht zu ihrem radikalen Religionsverständnis passen, vor laufenden Kameras. Unesco-Generaldirektorin Irina Bokova schlug nach dem IS-Einmarsch in Palmyra Alarm: "Die Kämpfe gefährden eine der bedeutendsten Stätten im Mittleren Osten und deren Zivilbevölkerung." Neben Palmyra sind noch zahlreiche andere Orte von Kämpfen, Plünderungen oder extremistischer Zerstörungswut bedroht.
Am 29. Juni will das Komitee eine Erklärung zum Schutz von Kulturgütern in bewaffneten Konflikten verabschieden. Am selben Tag wird die Kampagne "Unite4Heritage" (Vereint euch für das Kulturerbe) vorgestellt. Die Kampagne soll Koalitionen zum Schutz einmaliger Orte und Kunstwerke vor allem in Nahost schaffen. Angesprochen sind unter anderem Regierungen, Streitkräfte, Zollbehörden, die internationale Polizeibehörde Interpol, Museen und Auktionshäuser. So soll auch verhindert werden, dass geraubte Kulturgüter auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden.
Klimaveränderung bedroht Welterbe-Stätten
Doch nicht nur Krieg und Extremismus bedrohen die Welterbe-Stätten. Auch Industrie- und Verkehrsprojekte sowie Klimaveränderungen können Bauwerken und Landschaften massiv zusetzen. So wollen sich die Delegierten in Bonn auch mit dem Great Barrier Reef vor der australischen Küste befassen, das unter der Erderwärmung leidet.
Deutschland hat bislang 39 Welterbe-Stätten. Dazu zählen der Kölner Dom, die Zeche Zollverein in Essen und grenzübergreifend das Wattenmeer. Hoffnungen auf die begehrte Erwähnung auf der Liste, die sich touristisch gut vermarkten lässt, machen sich in diesem Jahr das Kontorhausviertel und die Speicherstadt in Hamburg sowie der Naumburger Dom samt umgebender Landschaft. Ein internationales Projekt, das eine Reihe von Wikinger-Stätten in Deutschland und skandinavischen Ländern zum Welterbe erklären lassen will, wird vermutlich aufgeschoben werden. Das Welterbekomitee entscheidet vom 3. bis 5. Juli über die Aufnahme neuer Stätten in die Liste.