Illustration: evangelisch.de/Simone Sass
Kirchenasyl abschaffen!
Verschiedene Debatten auf dem Kirchentag in Stuttgart haben gezeigt: Insbesondere im Angesicht der gegenwärtigen Flüchtlingskatastrophe brauchen wir ein Grundrecht auf Migration.

Das Kirchenasyl ist illegal. Es ist eine Einrichtung, die keine geltende Rechtsgrundlage hat. Es bewegt sich vielmehr in einer rechtlichen Grauzone, am ehesten ist es als "ziviler Ungehorsam" einzustufen. Als solcher allerdings wirkt es vor allem als Korrektiv für Rechtsirrtümer und deckt "Härtefälle" auf: 95 Prozent aller Fälle von Kirchenasyl münden in ein reguläres Asylverfahren, die meisten davon enden mit einem Bleibrecht für die Asylbewerberinnen. Weil das so ist, führt das Kirchenasyl eben auch klar das Scheitern der Dublin-Verordnung vor Augen. Und deswegen ist ein Kirchenasyl immer auch eine politische Handlung, egal wie stark es von den einzelnen Aktivistinnen im Kampf für politische Ziele genutzt wird. Auch wenn das dem Bundesinnenminister de Maizière ein Dorn im Auge ist, wie er trotz aller Barmherzigkeitsbekundungen auf dem Kirchentag auch wieder deutlich machte.

Handeln in der Nachfolge Christi ist immer auch politisch. Und ganz besonders dann, wenn es sich für die Schwachen einsetzt. Das erwarte ich von meiner Kirche, das hat die EKD gerade erst in einer beeindruckenden Resolution auf ihrer letzten Synodentagung klar gemacht - und das sollte auch jeder einzelnen Kirchengemeinde Verantwortung und Ansporn sein.

Eigentlich aber sollte das den Bundesinnenminister gar nicht kümmern müssen, denn sein Ministerium ist ja normalerweise vorrangig für Belange der inneren Sicherheit zuständig. Und eine moderne Einwanderungspolitik, wie sie Deutschland (und vor allem Europa) dringend nötig hat, braucht auch ein Einwanderungsministerium. Das forderte Weihbischof Dieter Geerlings, der stellvertretende Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz jetzt in Stuttgart sehr zu Recht.

Denn darum geht es eigentlich, um Einwanderung, um Migration. Es geht darum, den Begriff "Gastarbeiter" endlich in den Mülleimer der Geschichte zu befördern, weil er immer impliziert, dass diese Arbeiter nur Gäste sind, die wieder gehen. Stattdessen muss Einwanderung neu positiv bewertet werden, nicht nur aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten (Fachkräftemangel, Demografie, etc.).

Es ist richtig, dass Christinnen und Christen darauf dringen, das "Recht auf Einreise" zum Grundrecht zu machen

"Grenzübertritte sind in der Bibel positiv bewertet, es geht um ein Wagnis, einen Neuanfang mit Gottes Hilfe", formulierte Margot Käßmann auf dem Kirchentag. Von Abraham über Mose, von Josef bis zu Paulus und dem Hebräerbrief: Die Bibel ist ein Lehrstück in Migrationsgeschichte - und Nächstenliebe. Und auch deswegen ist es richtig, dass Christinnen und Christen darauf dringen, das "Recht auf Einreise" zum Grundrecht zu machen (in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist die Freizügigkeit ohnehin seit 1948 festgeschrieben).

Staaten wie Ecuador oder Argentinien machen es vor: Hier ist das Recht auf Migration – egal aus welchen Gründen - in der Verfassung verankert. Und ein Einwanderungsministerium  in Deutschland wäre für die Umsetzung einer solchen Rechtsgrundlage zuständig. Natürlich müsste es dabei zuerst um gemeinsame Standards auf europäischer Ebene gehen. Und eben um den Abbruch der "Festung Europa". Damit kein Mensch mehr ein "Wirtschaftsflüchtling" sein muss. Damit kein Mensch mehr ein "Problem" oder ein "Fall" sein muss. Und damit kein Mensch mehr "illegal" sein muss, auch nicht im Kirchenasyl! Das könnte man dann übrigens tatsächlich abschaffen…