Auf Initiative der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) haben "Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus Wissenschaft, Journalismus und weiteren Gebieten" das Muslimische Forum Deutschland (MFD) gegründet. Sie möchten "mehr Farbe in die Debatten" rund um den Islam bringen und "der Mehrzahl der in Deutschland lebenden und bisher nicht vertretenen Muslime Gehör verschaffen", heißt es in einer Erklärung der KAS.
Kaum war diese Nachricht im Umlauf, sorgte sie auf politischer Ebene und in muslimischen Communities für Diskussionen. Es gibt Kritik, von Muslimen und Nicht-Muslimen, von Laien und Sachkundigen. Es gibt aber auch Zustimmung, nicht zuletzt von jungen Muslimen, die sich von den etablierten islamischen Verbänden nicht vertreten fühlen und sich einen anderen als den bisherigen Islam-Diskurs wünschen.
Das im April in Berlin gegründete Forum versteht sich nach Auskunft des Interimssprechers Abdul-Ahmad Rashid als "Plattform für muslimische Themen". Ein langfristiges Ziel sei, Ansprechpartner für die Politik zu werden. Gründungsmitglieder sind prominente Muslime wie die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor und Professor Mouhanad Khorchide. Nicht alle Erstunterzeichner des Netzwerks sind Muslime, wie etwa die jesidische Journalistin Düzen Tekkal. Eben diese Zusammensetzung wirft bei Kritikern die Frage auf, warum Nicht-Muslime in einem Gremium mitwirken, das sich auf politischer Ebene an Diskussionen über islamische Theologie und religiöse Praxis von Muslimen beteiligen möchte. Die Forumsmitglieder haben darüber intensiv diskutiert und sich bewusst dafür entschieden, da das Thema Islam ein "gesamtgesellschaftliches" ist. "In der Deutschen Islamkonferenz, die vom Bundesinnenminister ins Leben gerufen wurde, sitzen ja auch nicht nur Muslime", heißt es dazu aus dem Forum.
Aufgabe der Stiftung: Gesellschaftlich relevante Debatten anstoßen
Für Kritik sorgt zudem, dass die Initiative von der KAS ausging; die Stiftung mische sich in "inner-islamische Angelegenheiten" ein und wolle einen "politikgefälligen Islam nach deutschem Geschmack" durchsetzen. Als Beleg gilt den Kritikern unter anderem die Gründungserklärung des MFD, in der es heißt: "Wir setzen uns ein für die Etablierung eines Islamverständnisses, das mit unseren Grundwerten und der deutschen Lebenswirklichkeit übereinstimmt. Dieses Islamverständnis soll theologisch fundiert sein und daher dem Selbstverständnis einer bekenntnisgebundenen Sicht auf den Islam gerecht werden und die Rechte und Freiheiten des Individuums wahren."
Dass eine politische Stiftung die "Initialzündung" für eine Plattform gibt, auf der sich Experten mit unterschiedlichen Kompetenzen über gesellschaftlich relevante Themen austauschen, ist aus Sicht der MFD-Mitglieder nicht verwerflich. Und aus Sicht der Stiftung auch nicht ungewöhnlich, "gehört es doch zu einer der wichtigen Aufgaben von politischen Stiftungen, gesellschaftlich relevante Debatten anzustoßen und mitunter auch die Infrastruktur für zivilgesellschaftliche Dialogplattformen zur Verfügung zu stellen", sagt Thomas Volk von der KAS-Stiftung: "Wir sehen unsere Aufgabe darin, weltweit Demokratie und Rechtstaatlichkeit zu fördern und sind schon seit vielen Jahren im Interreligiösen Dialog aktiv." Hinter der vielfach kritisierten "Finanzierung" des Forums durch die KAS steckt nicht mehr, als dass die Stiftung für Fahrt- und Übernachtungskosten von Forumsteilnehmern aufgekommen ist. "Wir finanzieren keine Geschäftsstelle, sondern haben Kosten übernommen, wie wir sie auch auch bei Seminaren übernehmen", erklärt Volk.
Dem MFD haben sich bisher 15 Personen angeschlossen, "die beruflich, biographisch und privat mit dem Themenspektrum des Islams befasst sind". Sie machen mit, weil sie die Deutungshoheit über den Islam in Deutschland nicht den etablierten islamischen Verbänden überlassen wollen. Kritiker unterstellen manch einem Forumsmitglied weitaus mehr, nämlich "Profilierungssucht". "Das mag für einzelne zutreffen", heißt es aus dem Kreis der Erstunterzeichner, "es sollte aber nicht die ernsthafte Absicht des Forums in Frage stellen, das dazu beitragen möchte, dass in den Debatten rund um Islam und das Verhältnis von Staat und Muslimen auch Meinungen und Positionen zu hören sind". Es gehe darum, andere Stimmen in die Diskussion einzubringen, Stimmen jenseits des organisierten Islams, ohne aber mit dem Etikett des Liberalen Islams versehen zu werden.
Koordinationsrat der Muslime debattiert um die eigene Zukunft
Für Verwunderung sorgt bei Vertretern der islamischen Verbände die Zusammensetzung des Forums, dem unter anderem der "islamkritische Wissenschaftler" Ralf Ghadban und Mouhanad Khorchide angehören. Khorchide ist Professor für Islamische Theologie an der Universität Münster und war im Dezember 2013 wegen seiner historisch-kritischen Methode zur Interpretation des Korans in Kritik geraten. Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) hatte im Dezember 2013 – erfolglos – Khorchides Abberufung von der Führungsposition im Zentrum für islamische Theologie gefordert, weil seine Auslegungen des Korans mit einer bekenntnisgebundenen islamischen Theologie unvereinbar seien.
Dieser Konflikt ist noch ungelöst, war aber beiseite gelegt worden – dies auch, weil die vier im KRM zusammengeschlossenen Verbände ihre Energien auf andere Themen konzentrieren und sich "verausgaben", wie ein Verbandsfunktionär einräumt. Debattiert wird nämlich derzeit unter anderem um die Zukunft des KRM, der vor fast zehn Jahren auf Wunsch der Politik entstanden war, damit die vier großen islamischen Verbände langfristig in einer vom Staat anerkannten islamischen Religionsgemeinschaft aufgehen und so ein Ansprechpartner geschaffen wird für Fragen unter anderem zum islamischen Religionsunterricht.
Daraus ist aber nichts geworden. Der KRM ist faktisch funktionslos. Es ist kein Zwist um theologische Grundsätze, der das Gremium bremst. Vielmehr konkurrieren die vier Mitgliedsverbände miteinander um die Frage, wer als der Vertreter "der" Muslime in Deutschland und als "der" Ansprechpartner der Politik mehr Gewicht bekommt. Dass ein neues Forum entsteht, während im KRM über neue Organisationsformen diskutiert wird, wird aber von Verbandsfunktionären des KRM mit demonstrativer Gelassenheit kommentiert. Öffentlich hat sich lediglich der Zentralrat der Muslime (ZMD) zu Wort gemeldet: "Schon in der Vergangenheit sind immer wieder muslimische Think Tanks von Stiftungen oder Akademien initiiert oder gegründet worden", erklärte ZMD-Vorsitzender Aiman Mazyek. "Dahinter verbirgt sich der Wunsch, beim Thema muslimisches Leben in Deutschland mitzumischen."
Khorchide: Keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung zu Islamverbänden
Kritik an der Gründung des Forums und daran, dass Khorchide sich darin engagiert, äußern andere Verbandsfunktionäre hinter vorgehaltener Hand. Dies wird als "erneuter Versuch" gedeutet, theologische Grundsätze des Islams öffentlich in Frage zu stellen. Khorchide selbst erklärte sein Engagement in einem Zeitungsinterview so: Das Forum wolle "die Vielfalt des Islams sichtbarer machen": "Der Islam ist bunt und hat viele Gesichter, die Politik aber neigt dazu, unsere Religion sehr homogen zu erfassen. Das wollen wir ändern." Das MFD wolle jedoch keine Konkurrenz zu den traditionellen Verbänden sein und auch kein Ersatz, vielmehr eine Ergänzung, so Khorchide - wissend, dass seine Lehrerlaubnis auch vom Wohlwollen dieser Verbände abhängt.
Ende Mai wollen sich die Forumsmitglieder wieder in Berlin treffen, um sich über die organisatorische Struktur auszutauschen. In welche Richtung es konkret gehen wird, ist nach Auskunft von Erstunterzeichnern unklar. Fest steht aber, dass sie "mehr Farbe in die Islam-Debatten" bringen wollen. Interimssprecher Abdul-Ahmad Rashid sagt dazu: "Das ist ein hochgestochenes Ziel, wir sind aber bescheiden genug, um zu wissen, dass es einen langen Atem braucht."