TV-Tipp des Tages: "2 Tage New York" (Servus TV)
TV-Tipp des Tages: "2 Tage New York", 12. Mai, 20.15 Uhr auf Servus TV
Als die Französin Marion und ihr amerikanischer Freund Mingus, die gemeinsam in New York City wohnen, Besuch von Marions Familie bekommen, führt dies zu einigen Missverständnissen und Problemen.

Irgendwann hat Woody Allen aufgehört, so wundervolle Meisterwerke wie "Der Stadtneurotiker" und "Manhattan" zu drehen. Er macht zwar nach wie vor unverdrossen Film auf Film, doch Titel oder Geschichten, die sich dauerhaft einprägen, sind nicht mehr darunter. Das ist aber nicht weiter schlimm, so lange Julie Delpy weiter so großartige Taten vollbringt wie "2 Tage New York". Es ist natürlich Spekulation, aber so könnten Komödien von Woody Allen aussehen, wenn er heute Anfang vierzig wäre; so alt ist Delpy, so alt war er, als er seine besten Filme gedreht hat.

Wie Allen damals, so ist auch Julie Delpy zunächst vor allem als Schauspielerin bekannt geworden. Meist verkörperte die fragile Französin zu Beginn ihrer Karriere eher ätherische Wesen (etwa in "Homo Faber" von Volker Schlöndorff oder "Drei Farben: Weiß" von Krzysztof Kieślowski). Dass sie irgendwann selbst Regie führen würde, stand für sie jedoch nie außer Frage. Ihr erstes Drehbuch hatte sie bereits mit 16 geschrieben; es dauerte zwanzig Jahre, bis sie mit ihrem Regiedebüt "2 Tage in Paris" (2007) ihr großes Talent beweisen konnte. Es folgten das Historiendrama "Die Gräfin" und die Komödie "Familientreffen mit Hindernissen" (jeweils Buch, Regie und Hauptrolle), aber "2 Tage New York" ist ihr Meisterstück.

Die Titelparallele zum Debüt ist kein Zufall, Hauptfigur ist hier wie dort die Französin Marion, die sich zwischenzeitlich von ihrem damaligen amerikanischen Freund getrennt hat und mittlerweile samt Söhnchen beim neuen Freund Mingus (Chris Rock) in New York lebt. Eines Tages kommen ihr Vater Jeannot, ihre Schwester Rose und deren Freund Manu zu Besuch. Prompt prallen zwei Kulturen aufeinander, denn ausgerechnet die angeblich doch so höflichen und manierlichen Franzosen entpuppen sich als Barbaren, deren Freizügigkeit die Einheimischen ein ums andere Mal schockiert. Mingus, eigentlich ein typisch liberaler schwarzer New Yorker, der gern Zwiegespräche mit einem lebensgroßen Papp-Obama führt, findet es gar nicht lustig, dass der widerlich selbstverliebte Manu, der zu allem Überfluss auch mal was mit Marion hatte, einen Dealer in die Wohnung kommen lässt. Rock, sonst gern als kreischiger Komiker besetzt, spielt den zunehmend verärgerten Mingus mit wunderbarer Contenance; großartig, wie Marions Freund bis an den Rand der Selbstaufgabe versucht, die Fassung zu wahren, ehe ihm doch der Kragen platzt.

Aber auch die Eindringlinge, die aus Sicht der Amerikaner wie eine außerirdische Lebensform erscheinen, sind wunderbar entworfen und gespielt. Alexia Landeau (Rose) und Alex Nahon (Manu) haben am Drehbuch mitgewirkt und auf diese Weise maßgeblich zu den vielen absurden Szenen beigetragen. Höhepunkt ist ein gemeinsames Mittagessen, in dessen Verlauf die Männer aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse komplett aneinander vorbeireden, während sich die beiden Schwestern im Hintergrund buchstäblich in die Haare kriegen. Gerade Jeannot (Albert Delpy, auch im wirklichen Leben Julie Delpys Vater) sorgt immer wieder für haarsträubende Missverständnisse, während Roses Freizügigkeit die männlichen New Yorker um den Verstand bringt.

Trotz der vielen Sitcom- und Slapstickmomente ist "2 Tage New York" kein oberflächliches Lustspiel. Die Dialoge sind ausgefeilt und erfreuen sich gern an Anspielungen, die wiederum nicht so elitär sind, dass sie nur von Intellektuellen und Cineasten verstanden werden. Außerdem lauert unter der heiteren Fassade ständig das Drama. Unter anderem verarbeitet die Regisseurin den Tod ihrer Mutter, die gemeinsam mit Albert Delpy in "2 Tage Paris" mitgewirkt hatte und nun auch in der Filmhandlung gestorben ist. Dass Marion im Zuge einer Vernissage ihre Seele verkauft und dann mit dem Käufer (Vincent Gallo als Vincent Gallo) über das Leben nach dem Tode philosophiert, wäre gar nicht nötig gewesen, um den Tiefgang der Handlung zu betonen; stört aber auch nicht weiter. Der Film lebt ohnehin in erster Linie von Dialogwitz und Darstellern, aber auch von originellen handwerklichen Ideen: Die Biografie Jeannots wird ebenso als Fotoroman im Zeitraffer erzählt wie der Stadtbummel der Familie. Sämtliche Sehenswürdigkeiten New Yorks in dreißig Sekunden: Man will sich gar nicht ausmalen, wie viel Aufwand für diese Sequenz nötig war. Aber gerade in solchen Details zeigt sich die ganze Klasse.