Eigentlich war die Schlacht von Gallipoli ein militärisches Desaster. Aber in Australien wurde die gescheiterte Invasion auf der türkischen Halbinsel während des Ersten Weltkrieges zum nationalen Mythos hochstilisiert. Mit der Offensive wollten die Alliierten im April 1915 den strategischen Grundstein für die Eroberung des osmanischen Reiches legen, stießen aber auf erbitterten Widerstand der türkischen Streitkräfte und mussten nach achtmonatigen Grabenkämpfen den Rückzug antreten.
###embed|code|1###
Mehr als 100.000 Soldaten kamen auf beiden Seiten ums Leben, davon knapp 9.000 Australier, die sich freiwillig an die ferne Front gemeldet hatten. Erst acht Jahre zuvor war die britische Kolonie in die Unabhängigkeit entlassen worden. Bis heute wird mit Gedenkfeiern und Militärparaden an die Gefallenen erinnert, und auch im Kino wurde mit Peter Weirs "Gallipoli" (1981) der historischen Ereignisse gedacht.
Nun hat sich Russell Crowe in seinem Regiedebüt "Das Versprechen eines Lebens" des Themas angenommen, und wer den Hollywoodstar in Rollen à la Gladiator vor sich sieht, erwartet hier vielleicht ein schnörkelloses Heldenepos. Das Gegenteil ist der Fall. Denn anders als etwa Angelina Jolie in "Unbroken" oder Clint Eastwood in "American Sniper" ist Crowe nicht an patriotischen Bekenntnissen und heroischen Posen interessiert. Vielmehr nähert sich "Das Versprechen eines Lebens" dem Ersten Weltkrieg mit Blick auf die Auswirkungen.
Nicht kriegerische Gemetzel stehen im Zentrum, sondern der Umgang mit den Toten, die auf den Schlachtfeldern zurückgeblieben sind. Crowe selbst spielt den australischen Farmer Joshua Connor, der seine drei Söhne in Gallipoli verloren hat. Nach dem Selbstmord seiner Frau macht Connor sich 1919 aus dem australischen Outback nach Konstantinopel auf, um die sterblichen Überreste seiner Söhne ausfindig zu machen und nach Hause zu bringen. Ein scheinbar aussichtsloses Unterfangen angesichts der vielen Toten, deren Gebeine über die Halbinsel verstreut sind.
Die Militärs sind nicht begeistert über den hartnäckigen Familienangehörigen, der keine Platzverweise akzeptiert. Einzig der türkische Major Hasan (Yilmaz Erdo?an), der den Briten bei den Bergungsarbeiten behilflich ist, begegnet dem sturen Australier mit Respekt. Obwohl der ehemalige Oberbefehlshaber eigentlich verantwortlich für den Tod der Söhne ist, entwickelt sich zwischen den beiden Männern eine Freundschaft.
Bekenntnis zu einem patriotismusfreien Blick
Mit geradezu programmatischer Ausgewogenheit bewegt sich "Das Versprechen eines Lebens" zwischen den Fronten. Schon die erste Szene ist ein Bekenntnis zu einem patriotismusfreien Blick auf die Ereignisse. Nicht australische, sondern türkische Soldaten werden hier vor einem morgendlichen Angriff gezeigt, der allerdings ins Leere läuft, weil die Alliierten heimlich die Flucht ergriffen haben.
Aber eine ehrenhafte, pazifistische Grundhaltung allein macht noch keinen guten Kinofilm. Und Crowes Regiedebüt weist einige eklatante Schwächen auf. Vollkommen überflüssig etwa ist die sich vorsichtig anbahnende Liebesgeschichte zwischen dem beherzten Farmer und der türkischen Zimmerwirtin Ayshe (Olga Kurylenko). Der Versuch, die völkerverständigende Botschaft auch auf amouröser Ebene durchzuspielen, wirkt vollkommen deplatziert, zumal Crowe auf der Leinwand noch nie zum romantischen Helden taugte.
Das folkloristisch anmutende Studiosetting, in dem die züchtigen Ränkespiele ausgetragen werden, trägt auch nicht gerade zur emotionalen Glaubwürdigkeit bei. Stattdessen hätte sich der Film auf die frontübergreifende Männerfreundschaft konzentrieren sollen. Die Schuldkomplexe des australischen Vaters, der seine Söhne in den Krieg ziehen ließ, und des türkischen Feldherren, der seine jungen Rekruten in den Tod schickte, wären sicherlich eine tiefere Betrachtung wert gewesen.
Australien/Türkei/USA 2014. Regie: Russell Crowe. Buch: Andrew Knight, Andrew Anastasios. Mit: Russell Crowe, Jai Courtney, Olga Kurylenko, Isabel Lucas. Länge: 111 Minuten.