Gerade im Vergleich zu den anderen neuen Reihen, die das ZDF in letzter Zeit samstags und montags eingeführt hat, wirkten die Taunusfilme nach den Romanen von Nele Neuhaus stets eine Nummer kleiner; und zwar in jeder Hinsicht. Die Krimiebene war durchaus interessant, aber gerade die beiden von Tim Bergmann und Felicitas Woll verkörperten Hauptfiguren bekamen keine echte Tiefe.
Das ist in "Wer Wind sät", dem fünften Fall, zwar nicht viel anders, wird hier aber durch ein interessantes Nebenpersonal wettgemacht. Hintergrund der Geschichte ist ein Anwohnerstreit um einen Windpark: Eine Bürgerinitiative stemmt sich zwar gegen das Projekt, aber die Landbesitzer wären zum Verkauf der notwendigen Grundstücke bereit; bis auf einen (Bernd Stegemann), und der wird eines morgens erschossen aufgefunden. Da der Prolog des Films erzählt, wie der jähzornige Witwer, der von Feinden umzingelt ist, einst regelmäßig seine korpulente Tochter gedemütigt hat, könnte es sich angesichts seiner vielen Schusswunden auch um einen Racheakt handeln. Doch die Tat ist bloß Teil einer Kettenreaktion, bei der man mitunter etwas den Überblick verlieren kann. Das gilt auch für Kommissar Oliver von Bodenstein, der sich nach der Trennung von seiner nervenden Gattin ausgerechnet in eine Frau (Ulrike C. Tscharre) verguckt, die bis zum hübschen Hals in den Fall verwickelt ist.
Filme nach literarischen Vorlagen zeichnen sich gern durch eine ungleich größere Komplexität aus als gewöhnliche Drehbücher; "Wer Wind sät" ist der dritte gemeinsame Taunuskrimi von Autorin Anna Tebbe und Regisseur Marcus O. Rosenmüller. In diesem Fall gilt das vor allem für die komplizierte Personalstruktur, in der auch der Reiz der Geschichte liegt: Jeder hat ein Geheimnis, und alle sind irgendwie miteinander verbandelt. Die einen sind sich spinnefeind, die anderen sind liiert oder zumindest einseitig verliebt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Und dann offenbaren sich gegen Ende auch noch verwandtschaftliche Verhältnisse, die einen Mord aus Versehen in einem ganz anderen Licht zeigen: Erster Toter der Geschichte ist der Wachmann des Windkraftunternehmens; sein Herzschrittmacher hat nach einem Stromstoß den Geist aufgegeben. Motor der Handlung zumindest auf Seiten der Bösewichte – und dazu zählen außer dem Ermittlerduo sämtliche anderen Beteiligten - ist ein geschöntes Gefälligkeitsgutachten, aber neben der Habgier tragen auch Hass und Eifersucht dazu bei, dass an möglichen Mordmotiven wahrlich kein Mangel herrscht. Und so ist "Wer Wind sät" zwar immer noch nicht in der Oberliga der anderen Krimireihen angekommen, aber immerhin sehenswert: dank der Bildgestaltung von Tomas Erhart, der für großartige Taunusaufnahmen sorgt, dank der ausgezeichneten, immer wieder Spannung suggerierenden Musik von Dominik Giesriegl, und selbstredend auch dank des namhaften Ensembles, aus dem noch Nadeshda Brennicke, Rainer Sellien und Peter Benedict hervorzuheben sind.