John Harwin ist voll des Lobes über Andrew Chan und Myuran Sukumaran. "Das sind zwei Burschen, die jedes Gefängnis dieser Welt gerne als Vorzeigehäftlinge hätte, findet der Pastor der pfingstkirchlichen Kuta International Christian Church auf Bali. Das schließt die Aufseher und die Verwaltung des Gefängnisses in Kerobokan auf Bali ein. "Die halten große Stücke auf die beiden", weiß der Australier, der in den letzten anderthalb Jahren Chan und Sukumaran regelmäßig im Gefängnis besucht hat.
Chan und Sukumaran gehören zu der als die "Neun von Bali" bekanntgewordenen Gruppe junger Australier, die vor zehn Jahren auf dem internationalen Flughafen von Bali beim Schmuggel von mehreren Kilo Heroin nach Australien erwischt worden war. Ein indonesisches Gericht verurteilte 2006 Chan und Sukumaran als Anführer der Bande zum Tode.
Die Vollstreckung der Todesstrafe ist nur noch eine Frage der Zeit – wenn nicht in letzter Sekunde noch ein Wunder passiert. Chan und Sukumaran wurden bereits vor einigen Wochen in das Hochsicherheitsgefängnis auf der Insel Nusa Kambangan vor der Küste Javas überführt worden, die den unrühmlichen Ruf als "Exekutionsinsel" genießt. Zusammen mit Chan und Sukumaran sollen Bürger Frankreichs, Brasiliens, Nigerias, Ghanas und der Philippinen hingerichtet werden.
Vor wenigen Tagen scheiterten die Anwälte des 31 Jahre alten Chan und des 33-jährigen Sukumara mit einem Berufungsantrag. Indonesiens Präsident Joko Widodo hatte das Gnadengesuch der beiden Australier ohne Begründung abgelehnt. Die Anwälte der beiden Männer legten Beschwerde ein und forderten eine Begründung. Ein Gericht in Jakarta wies die Beschwerde im Februar zurück. Gegen die Gerichtsentscheidung legten die Anwälte wieder Berufung ein, die aber ebenfalls zurückgewiesen wurde.
Bibelstunden und Toilettenbau im Gefängnis
Die beiden Männer wurden im Gefängnis geläutert. "Sie haben eingesehen, dass der Drogenschmuggel eine riesige Dummheit war", sagt Harwin. Chan hat zum christlichen Glauben gefunden, sich der Theologie zugewandt und sich zum Priester ordinieren lassen. Der Mann aus Sydney, Sohn chinesischer Einwanderer, hielt regelmäßig Gottesdienste im Gefängnis Kerobokan ab und gab Bibelstunden für Mithäftlinge. "Er hat mehreren Mitgefangenen den christlichen Glauben gebracht, darunter einem Imam", sagt Ketut Waspada, Bischof der Protestantisch-christlichen Kirche von Bali. "Selbst seine Eltern sind Christen geworden", weiß das Oberhaupt von 12.000 balinesischen Christen. Bischof Waspada hat ebenfalls die beiden Todeskandidaten oft besucht.
Auch der Glaube von Sukumaran, der aus einer Familie tamilischer Christen stammt, sei im Gefängnis gestärkt worden. Darüber hinaus hätten sich die beiden, die seit ihrer gemeinsamen Schulzeit in Sydney befreundet sind, durch allerlei soziale Projekte wie Computerkurse und Kochkurse für Mithäftlinge oder den Bau ordentlicher Toiletten hervorgetan. Der Bischof sagt schlicht: "Die beiden sind gute Menschen geworden."
Die PGI spricht sich in einem offenen Brief an Präsident Widodo grundsätzlich gegen die Todesstrafe aus. Zwei ihrer Argumente beziehen sich auf die Verfassung und die Gesetze Indonesiens. Die Verfassung, so die PGI, garantiere in Artikel 28 "das Recht auf Leben". In den Gesetzen sei nicht von Gefängnissen die Rede, sondern von "Besserungsanstalten" die Rede. Das Ziel der Besserung sei bei Chan und Sukumaran doch erreicht worden.
Situation in Indonesien "ungewiss"
Neben der PGI setzen sich auch die Kirchen anderer christlicher Konfessionen in Indonesien und Australien für das Leben der beiden Männer ein. Sowohl anglikanische und katholische Bischöfe in Australien als auch der Großmufti der australischen Muslime haben Präsident Widodo um Gnade gebeten. Die Hinrichtung würde Chan und Sukumaran "der Möglichkeit der Fortsetzung der begonnenen Reue und Wiedergutmachung berauben", lautet der Tenor der Appelle der religiösen Führer.
Die Kampagne von Bischöfen, Kirchen und Muftis gegen die Todesstrafe ist eine Sache. Die Stimmung unter den Gläubigen und in den Gremien der Religionen eine andere. "Es gibt auch so manche, die sich für die Todesstrafe aussprechen", berichtete Bischof Waspada kurz vor Ostern nach einem Treffen mit Kirchenleuten in Jakarta. Es müsse auch innerhalb der Kirche noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.
In Südostasien verstärkt sich der Trend gegen die Todesstrafe. Das geht aus dem Report "Moving Away from the Death Penalty" hervor, der Ende März von der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen in Südostasien (OHCHR) in Bangkok vorgestellt wurde. Kambodscha, Osttimor und die Philippinen haben die Todesstrafe laut OHCHR abgeschafft. In Brunei, Darussalam, Laos und Myanmar steht Todesstrafe noch im Gesetzbuch, wird aber nicht mehr angewendet. Thailand habe ein "inoffizielles Moratorium" gegen die Todesstrafe verhängt, während Singapur und Malaysia "bestrebt sind", die Zahl der Exekutionen zu senken. Über Indonesien und Vietnam aber heißt es, die Situation sei "ungewiss".
"Sie würden gerne ihre Arbeit auf Erden fortsetzen"
Indonesiens Präsident Widodo befindet sich in einer Zwickmühle. Einerseits ist er als Reformer angetreten. Andererseits verfügt er im Parlament über keine Mehrheit. Ein Nachgeben des Drucks der Todesstrafengegner aus dem In- und Ausland würde dem Präsidenten als Schwäche ausgelegt. Zumal es um Australier geht. Die Beziehungen zwischen Indonesien und Australien sind seit langem gespannt. Die Indonesier haben den Australiern noch nicht das Abhören des Präsidenten und von Kabinettsmitgliedern durch den australischen Geheimdienst verziehen.
Die Australier ihrerseits werfen Indonesien vor, nichts gegen die Schlepperbanden zu unternehmen, die gegen viel Geld auf kaum seetüchtigen Booten von Indonesien aus Flüchtlinge aus Ländern wie Afghanistan, Sri Lanka oder dem Irak nach Australien schleusen. Als vor wenigen Wochen ein australischer Politiker andeutete, man würde im Falle der Exekution von Chan und Sukumaran von Indonesien die Rückzahlung der Tsunamihilfe in Erwägung ziehen, drohte ein indonesischer Politiker Australien flugs mit einem "Tsunami von Asylbewerbern".
Die juristischen Möglichkeiten zur Abwendung der Hinrichtungen sind langsam ausgeschöpft. Bleibt die Hoffnung auf eine "indonesische Lösung". Die Exekution wurde bereits einige Male unter Vorwänden verschoben. Mal fehlte es an Munition. Dann an Personal. "Ich hoffe, dass die Hinrichtung immer wieder hinausgeschoben wird", sagt Harwin.
Chan und Sukumaran wissen nur zu gut, dass um ihr Leben gefeilscht wird. Sie stehen in engem Kontakt mit ihren Anwälten und ihren Familien. Glaubt man ihrem geistlichen Beistand John Harwin, dann nehmen sie ihr Schicksal mit einer im Glauben wurzelnden Gelassenheit an. "Gottes Wille geschieht. Sie werden jede Entscheidung akzeptieren. Aber sie würden gerne ihre Arbeit auf Erden fortsetzen", sagt John Harwin. Bischof Waspada hat auch eine Idee, welche irdische Arbeit Chan und Sukumaran verrichten könnten. "Sie könnten sich im Kampf gegen Drogen engagieren. Jugendliche würden ihnen eher vertrauen als jemandem, der keine Drogenerfahrung hat. Das wäre doch sinnvoll."